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Griechische Bahnarbeiter streiken nach Zugunglück
Aus Tagesschau vom 02.03.2023.
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Zugunglück in Griechenland Was man über das griechische Zugunglück weiss – und was nicht

Was ist passiert? Auf der Strecke zwischen Athen und der nördlichen Hafenstadt Thessaloniki ist es in der Nacht auf Mittwoch zu einem schweren Zugunglück gekommen. Dabei ist ein Personenzug von Hellenic Train aus Athen frontal mit einem Güterzug aus Thessaloniki zusammengeprallt. Insgesamt sollen 354 Menschen vom Unfall betroffen gewesen sein: 342 Passagiere und zehn Bahnmitarbeitende im Personenzug sowie zwei Lokführer im Güterzug. Beim Unfall ist auch ein Feuer ausgebrochen, viele Personen trugen Verbrennungen davon.

Gemäss Angaben der Feuerwehr sind mindestens 46 Menschen beim Unglück gestorben, mehr als 80 wurden verletzt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Opferzahl noch erhöht, da noch zahlreiche Personen vermisst werden. Die Such- und Rettungsaktion dauern Stunden nach dem Unfall weiter an. Auch Teile der griechischen Armee waren vor Ort. «Wir kennen die genaue Zahl der Opfer noch nicht», sagte der griechische Verkehrsminister Kostas Karamanlis unter Tränen.

Was sind die Reaktionen? Sowohl in Athen als auch in Thessaloniki gab es am Donnerstag Streiks der Eisenbahner sowie zum Teil gewalttätige Proteste vor Büros der Betreibergesellschaft der Bahn, Hellenic Train. Diese ist allerdings gar nicht verantwortlich – die Infrastruktur des Netzes liegt in der Hand der staatlichen Gesellschaft OSE.

Wer ist Hellenic Train?

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Wer ist Hellenic Train? Mit rund 1200 Angestellten ist Hellenic Train das Eisenbahnverkehrsunternehmen, das die Züge auf dem Netz der griechischen Eisenbahn stellt. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der staatlichen Eisenbahngesellschaft Italiens, Ferrovie dello Stato Italiane, welche die griechische Firma 2017 für 45 Millionen Euro aufgekauft hatte. Damals hiess Hellenic Train noch TrainOSE.

Wie kam es zur Übernahme? Eine Rolle gespielt bei dieser Entwicklung hat die griechische Schuldenkrise, welche vor etwa 13 Jahren ihren Anfang nahm. Damals war das Land praktisch pleite, ein Teil der staatlichen Infrastruktur wurde deshalb verkauft. In diesem Zusammenhang wurde auch die griechische Eisenbahn 2013 in einem ersten Schritt in einen Entwicklungsfonds ausgegliedert. Auch wenn die Übernahme letztlich vollzogen wurde, ist derzeit nicht klar, wer die Verantwortung für das Unglück trägt.

Darüber hinaus hat die griechische Regierung eine dreitägige Staatstrauer angeordnet, Fahnen wehen zu Ehren der Opfer auf halbmast. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sagte an der Unglücksstelle, es handle sich um eine unfassbare Tragödie. Er betonte: «Eines kann ich garantieren, wir werden die Ursache finden und alles in unserer Macht Stehende tun, dass sich so etwas nie wiederholt.» Die Ursache ist derzeit noch ungeklärt. Viele Staaten bekundeten ihr Beileid. Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu telefonierte mit seinem griechischen Amtskollegen Nikos Dendias. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb auf Twitter, ganz Europa trauere mit Griechenland.

Griechischer Verkehrsminister tritt zurück

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Der griechische Verkehrsminister Kostas Karamanlis ist noch am Mittwochnachmittag von seinem Amt zurückgetreten. Die aktuelle Regierung habe die griechische Eisenbahn vor dreieinhalb Jahren in einem Zustand übernommen, der nicht ins 21. Jahrhundert passe, teilte Karamanlis mit. Man habe seither alles getan, um diesen Zustand zu verbessern. «Leider reichten diese Bemühungen nicht aus, um einen solchen Unfall zu verhindern. Das ist sehr schwer für uns alle und für mich persönlich.»

Wenn so etwas Tragisches passiere, sei es nicht möglich, so weiterzumachen, als sei nichts geschehen. Er halte es für unabdingbar, dass die Bürgerinnen und Bürger dem politischen System vertrauen könnten. «Aus diesem Grund trete ich vom Amt des Ministers für Infrastruktur und Verkehr zurück.» Er fühle sich verpflichtet, die Verantwortung für die Fehler des griechischen Staates zu übernehmen, sagte Karamanlis und drückte den Familien der Opfer nochmals sein Mitleid aus.

Wie kam es zum Unglück? Beide Züge waren in gegensätzlicher Richtung auf derselben Spur unterwegs, obwohl die Strecke zweigleisig ausgebaut ist. Berichten zufolge funktionierte das elektronische Leitsystem auf der Strecke nicht, weshalb die Bahnhofsvorsteher die Züge koordinierten. Der Verantwortliche am Bahnhof der Stadt Larisa soll am Dienstagabend den entscheidenden Fehler gemacht und den Personenzug auf das falsche Gleis geleitet haben. Der Mann wurde festgenommen, weitere andere Verantwortliche und Techniker werden befragt. Noch stehen die Ermittlungen allerdings am Anfang, auch andere Ursachen wie etwa weitere technische Probleme werden nicht ausgeschlossen.

Veraltetes Bahnsystem

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Gemäss der griechischen Gewerkschaft der Lokführer gibt es entlang der rund 500 Kilometer langen Strecke zwischen Athen und Thessaloniki schon länger grössere Probleme. So komme es bei der elektronischen Koordination der Verkehrsprobleme zu erheblichen Komplikationen. «Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Streckenteil zum anderen per Funk. Die Stationsleiter geben uns grünes Licht», sagte Kostas Genidounias, Präsident der Gewerkschaft der Lokführer.

Wie Nachrichtenagenturen zudem melden, sei das Bahnsystem in Griechenland veraltet und müsse modernisiert werden. Viele Strecken seien ausserdem eingleisig, häufig fehlten automatische Steuerungssysteme.

Wie oft kommen solche Zugunglücke in Europa vor? Unfälle auf dem europäischen Schienenverkehr dieser Grössenordnung sind eher eine Seltenheit; doch sie kommen durchaus vor. So ist etwa im November 2015 bei einer Testfahrt auf einer damals neuen Zugstrecke nördlich von Strassburg ein TGV entgleist. Mindestens elf Menschen kamen dabei ums Leben.

Einige Monate später starben im deutschen Bundesland Bayern zwölf Menschen; auf einer eingleisigen Strecke zwischen Rosenheim und Holzkirchen waren in Bad Aibling zwei Personentriebzüge frontal ineinander gefahren. Über 80 Menschen wurden verletzt, viele davon schwer. Das wohl tragischste Unglück in Europa in den letzten Jahren ereignete sich im Sommer 2013 in Spanien. Ein Hochgeschwindigkeitszug bog kurz vor dem Bahnhof der Pilgerstadt Santiago de Compostela zu schnell in eine Kurve und entgleiste. 80 Menschen kamen ums Leben, 144 wurden verletzt.

Tagesschau, 1.3.2023, 12:45 Uhr;

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