Zum Inhalt springen

Zugunglück in Ohio Biden kommt in den USA wegen Zugunglück unter Druck

Ein überhitztes Radlager war laut Behördenangaben der Grund für das Zugunglück im US-Bundesstaat Ohio.

Darum geht es: Am 3. Februar entgleiste in East Palestine im US-Bundesstaat Ohio ein Güterzug mit gefährlichen Chemikalien. 38 der insgesamt 150 Waggons sprangen aus den Schienen. Es kam zu einem riesigen Feuer, bei dem unter anderem giftiges Vinylchlorid freigesetzt wurde. Seither klagen viele der rund 4500 Einwohnerinnen und Einwohner der Ortschaft über gesundheitliche Probleme wie Kopfschmerzen, gereizte Augen oder Ausschlag. Die Behörden ihrerseits sagen, es bestehe keine Gefahr für die Gesundheit.

Um die verbrannten und zerstörten Züge liegt eine schwarze Brühe.
Legende: Gesamtansicht der Stelle, an der der Zug in East Palestine entgleiste. (23.02.23) REUTERS/Alan Freed

Das war der Grund für das Unglück: Laut einem vorläufigen Untersuchungsbericht der US-Verkehrssicherheitsbehörde war ein überhitztes Radlager der Grund für das Zugunglück. Dem Bericht zufolge haben Detektoren am Gleisrand entlang der Strecke einen starken Temperaturanstieg bei einem der Radlager festgestellt. Innerhalb von knapp 50 Kilometern sei die Temperatur um fast 120 Grad Celsius angestiegen. Das System habe eine Warnung ausgelöst, woraufhin die Besatzung den Zug abgebremst habe. Nachdem der Zug zum Stillstand gekommen war, sah die Besatzung gemäss dem Bericht Feuer und Rauch. Auf einem Überwachungsvideo, das vor dem Unglück aufgenommen worden war, sind glühende Räder an einem der Waggons zu sehen.

Tagelanges Feuer und riesige Rauchwolke

Box aufklappen Box zuklappen
Unglücksort mit Feuer und Rauch, Luftaufnahme.
Legende: 04.02.23 Keystone/Gene J. Puskar

Nach dem Zugunglück am 3. Februar brannten die Waggon-Wracks während mehrerer Tage. Eine riesige Rauchwolke stand über dem Ort East Palestine. Um eine Explosion zu verhindern, liessen die Behörden die Chemikalien kontrolliert auslaufen und fackelten sie ab. Die Anwohnerinnen und Anwohner im näheren Umkreis wurden vorübergehend evakuiert. Die US-Umweltbehörde Epa machte die Eisenbahngesellschaft «Norfolk Southern» für das Unglück verantwortlich und ordnete an, die Firma müsse vollständig für die Aufräumarbeiten aufkommen.

Folgen für die Umwelt: Die ausgelaufenen und teils verbrannten Chemikalien waren teils hochgiftig und krebserregend. Bis in eine Entfernung von 40 Kilometern wurden inzwischen Spuren der ausgelaufenen Stoffe in Flüssen nachgewiesen, Tausende Fische und andere Tiere sind verendet. «Die Situation dort ist durchaus sehr gefährlich – zumal Chemikalien auch einfach abgelassen wurden und versickert sind», sagt der Berliner USA-Experte Christian Lammert.

Kritik an Biden: Nach dem Unglück wurde Kritik am Krisenmanagement der Regierung von Präsident Joe Biden laut. Ein Grund für den Unmut war die Katastrophenschutzbehörde Fema, die einen Antrag des Gouverneurs von Ohio auf die Ausschüttung von Hilfsgeldern ablehnte. Auch Verkehrsminister Pete Buttigieg geriet in die Kritik, weil er drei Wochen lang nicht an den Unglücksort reiste. Örtliche Politiker warfen Präsident Joe Biden vor, die Katastrophe sei ihm egal, während er nach Europa fliege und der Ukraine Millionen Dollar verspreche.

Trump macht Wahlkampf

Box aufklappen Box zuklappen
Trump an Rednerpult in East Palestine.
Legende: Keystone/Matt Freed

Einer, der von der Abwesenheit der Regierung am Unglücksort profitiert, ist Ex-Präsident Donald Trump. Er besuchte East Palestine am Mittwoch und nutzte die Gelegenheit, Präsident Biden scharf anzugreifen. Er hoffe, dass dieser nach seiner Reise in die Ukraine noch etwas Geld übrig habe, wenn er nach East Palestine komme, sagte Trump, der 2024 erneut für das Präsidentenamt kandidieren will. Er präsentierte sich denn auch als Wohltäter, indem er «tausende Flaschen» Trinkwasser mitbrachte und an die Bevölkerung verteilen liess. Besonders brisant: Ohio dürfte auch bei den nächsten Wahlen einer der wenigen US-Bundesstaaten sein, welche über die Präsidentschaft entscheiden werden.

Widersprüchliche Angaben: «Die Menschen in East Palestine fühlen sich schlecht informiert und trauen den Behörden nicht mehr», sagt Politologieprofessor Lammert. So gebe es widersprüchliche Angaben über die Gefährdung durch die Chemikalien seitens Behörden, Politiker und Experten. «In den USA, wo man viel über Fakenews und Verschwörungstheorien nachdenkt, fällt so etwas auf sehr fruchtbaren Boden und verunsichert die Menschen extrem.»

Grössere Zusammenhänge: Zwar machen die US-Behörden die Eisenbahnbetreiber für das Unglück verantwortlich. Doch tatsächlich seien viele Bahnstrecken marode, jahrzehntelang sei der Unterhalt vernachlässigt worden, so Lammert.

Die Menschen haben das Gefühl, für die Wirtschaft werde alles getan, aber den einfachen Bürger lässt man in Notsituationen hängen.
Autor: Christian Lammert Politologe und USA-Experte an der freien Universität Berlin

Und: Während unter Präsident Barack Obama manche Sicherheitsvorschriften – etwa zu den Bremsen der Waggons – verschärft wurden, hat Präsident Donald Trump diese wieder abgeschafft. «Die Menschen haben das Gefühl, für die Wirtschaft werde alles getan, aber den einfachen Bürger lässt man in Notsituationen hängen», sagt Lammert. Immerhin hat Präsident Biden vor einigen Monaten ein Hunderte Milliarden schweres Investitionspaket auf den Weg gebracht.

Politische Implikationen: «Biden gerät jetzt durchaus unter Druck», sagt Politologe Lammert. Die Republikaner würden ihm vorwerfen, dass ein solches Unglück passiere, obschon Milliarden in die Infrastruktur fliessen. «Das ist allerdings ein politischer Trick – bis die Investitionen etwas bewirken, dauert es Monate oder Jahre», sagt Lammert.

Biden gerät jetzt durchaus unter Druck.
Autor: Christian Lammert Politologe und USA-Experte an der freien Universität Berlin

Die Demokraten hätten ausserdem das Problem, dass man ihnen vorwirft, die ländlichen Regionen eher zu vernachlässigen und sich auf die Grossstädte zu fokussieren. «Genau das wird hier jetzt nochmals manifestiert.» Und weil Ohio ein wichtiger und zwischen beiden Parteien schwer umkämpfter Bundesstaat sei, könnte das Zugunglück durchaus politische Folgen nach sich ziehen.

Rendez-vous, 23.2.2023, 12:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel