Zum Inhalt springen

Zum Sommerferien-Start Flughafen-Chaos: An Europas Hubs ist zurzeit Geduld gefragt

Beim Umsteigen könnte es dieser Tage länger dauern. In Paris, Frankfurt, London und Amsterdam herrscht Personalmangel.

Nach zwei Jahren Corona, in denen in der Luftfahrt nur wenig ging, wollen diesen Sommer wieder fast so viele Leute fliegen, wie vor der Pandemie.

Gleichzeitig zirkuliert das Virus weiterhin und verschlimmert so den ohnehin schon bestehenden Fachkräftemangel. In den vergangenen Wochen häuften sich Berichte über chaotische Zustände an Europas Flughäfen, verschobene oder annullierte Flüge und Personal, das die Arbeit bereits niedergelegt hat oder dies noch zu tun gedenkt. Eine Übersicht über die Situation an den grössten Hubs.

Amsterdam Schiphol

Kein Flughafen hat derzeit wohl so stark mit dem Mangel an Personal zu kämpfen, wie der niederländische Grossflughafen. Um 10'000 Angestellte hat sich der Bestand dort seit Ausbruch der Corona-Pandemie reduziert. Das macht sich spätestens jetzt bemerkbar. Seit Wochen zirkulieren in den sozialen Medien Bilder von wartenden Passagieren vor und in den Terminals.

Menschen stehen am Flughafen von Amsterdam an.
Legende: Mittlerweile ein gewohntes Bild: Am Flughafen Schiphol müssen Passagiere seit Wochen bereits vor dem Terminaleingang anstehen. SRF

Die Verantwortlichen haben auf den Personalmangel reagiert und zahlen in den Sommermonaten nun eine Sonderprämie an das Reinigungs- und Gepäckabfertigungspersonal von 5.25 Euro pro Stunde aus. In den kleinräumigen Niederlanden helfen zudem andere Flughäfen aus. So konnten mehrere Fluggesellschaften ihre Flüge in den vergangenen Wochen etwa nach Rotterdam umleiten.

Wenig Freunde dürften sich die Schiphol-Betreiber bei den Restaurant- und Ladenbetreibern gemacht haben: Den Passagieren raten sie nämlich seit Wochen davon ab, zu früh am Flughafen zu erscheinen.

London Heathrow

Auf dem grössten Flughafen Europas mit rund 80 Millionen Passagieren pro Jahr sind Wartezeiten ortsüblich, schreibt SRF Korrespondent Patrik Wülser. In den kommenden Wochen drohe jedoch der Kollaps. Bereits jetzt wird der Flugplan täglich dünner. Den Fluggesellschaften fehlt das Personal, welches während der Pandemie entlassen wurde.

Ganz anderes Bild im Süden

Box aufklappen Box zuklappen

In Spanien, Italien oder Griechenland klagen die Verantwortlichen zurzeit deutlich weniger über Personalmangel als ihre Kollegen im Norden. Dies hat verschiedene Gründe.

In Spanien etwa konnten die Behörden mittels eines arbeitsrechtlichen Passus' Arbeitsverträge während der Corona-Krise kurzzeitig aussetzen. Die Regierung füllte die Einkommenslücke mit rund 19 Milliarden Euro Zuschüssen. Die örtlichen Angestellten der beliebten Ferienflieger Ryanair und Easyjet haben für die kommenden Tage zwar Streiks angekündigt, doch gemäss den Airlines dürfte dies nur wenig Einfluss auf den Betrieb haben.

In Italien eilten die Behörden der Flugindustrie ebenfalls zur Hilfe. In Griechenland derweil profitieren die vielen Insel-Flughäfen gemäss Expertinnen und Experten von ihrer relativ kleinen Grösse.

In allen südlichen Tourismus-Ländern heisst es vonseiten der Verantwortlichen, dass die Probleme zurzeit vor allem an den Abflughäfen der vielen Touristen im Norden entstünden.

Der Brexit gestaltet die Rekrutierung von neuem Bodenpersonal nicht einfacher. Ein Grossteil der langjährigen Mitarbeiter erhält künftig keine Arbeitserlaubnis mehr. Britinnen und Briten dürften hingegen kaum bereit sein, zu Niedriglöhnen Koffer auf Flugfeldern herumzuschleppen. Das Kabinenpersonal von British Airways wünscht derweil mehr Lohn und hat mit Streiks gedroht. Die chaotischen Zustände am Flughafen dürften also anhalten – allein am Montag wurden erneut Dutzende Flüge gestrichen.

Frankfurt am Main

Die Situation an den deutschen Flughäfen gestaltet sich ähnlich wie in anderen Ländern.

Lange Schlangen im Terminal am Flughafen Frankfurt
Legende: Auch in Frankfurt wollen dieses Jahr wieder besonders viele Menschen verreisen. Keystone

Auch hier ist es bereits zu Streiks gekommen. Das grösste Problem ist der akute Personalmangel. Das ist nicht nur in Deutschland so. Aber in Deutschland kann es manchmal lange dauern, bis Lösungen auf dem Tisch sind, wie Korrespondent Stefan Reinhardt berichtet. «Alle geben sich die heisse Kartoffel weiter. Der Verkehrsminister sagt, die Airlines sollen selber nach Personal suchen – diese wiederum beklagen: Woher denn?» Ein «Anwerbeabkommen» mit der Türkei, wie es bereits in den 1960er-Jahren einmal aktiviert wurde, soll Abhilfe leisten.

Paris Charles de Gaulle

Auch am – nach London Heathrow – zweitgrössten Flughafen Europas ist es in den vergangenen Tagen und Wochen zu Streiks gekommen. Vor einer Woche musste deswegen ein Fünftel der Flüge vom Hub gestrichen werden. Das Bodenpersonal verlangt mehr Lohn, und auch die Mitarbeiter der Flughafenfeuerwehr haben zwischenzeitlich gestreikt.

Personen stossen ihr Gepäck auf der Vorfahrtstrasse des Pariser Flughafens
Legende: Streiks am Pariser Flughafen Charles de Gaulle (auch Roissy genannt) führten in den vergangenen Wochen zu Unannehmlichkeiten für die Passagiere. Keystone

Die Verhandlungen mit dem Personal dürften andauern. Derweil müssen die Verantwortlichen 4000 Stellen füllen, die seit der Pandemie unbesetzt sind.

Finanzprobleme bei SAS

Box aufklappen Box zuklappen

Die skandinavische Airline SAS hat am vergangenen Montag in den USA Gläubigerschutz beantragt. Grund für die finanzielle Schieflage des Unternehmens sind stillstehende Verhandlungen mit den Piloten, die mehr Lohn fordern. Der Streit hat bereits operative Folgen für die Airline: Ein Grossteil der Flüge musste in den vergangenen zehn Tagen gestrichen werden. Teilweise strandeten Passagiere des Unternehmens.

Die Verhandlungen mit den Piloten halten derweil an. Gemäss dem Management der Airline können die Forderungen der knapp 1000 Piloten nicht erfüllt werden, da die höheren Lohnkosten Investoren davor abschrecken würden, sich am Unternehmen zu beteiligen.

SRF Regionaljournal Zürich-Schaffhausen, 2.7.22, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel