Nach dem 7. Oktober 2023 stand die Welt an Israels Seite. Auf den Eiffelturm in Paris, das Brandenburger Tor in Berlin und den Titusbogen in Rom legten sich die Farben der israelischen Flagge. «Wir sind alle Israelis», titelte das Schweizer Magazin «Republik». Der Terror der Hamas gegen israelische Zivilpersonen sorgte für Trauer und Mitgefühl.
Zwei Jahre später gilt die Anteilnahme den palästinensischen Zivilpersonen, die im Gaza-Krieg getötet und verstümmelt wurden. In den vergangenen fünf Monaten kam es in Europa zu mehr als 2000 Pro-Palästina-Demos. Die italienische Regierungschefin Georgia Meloni und ihr deutscher Amtskollege Friedrich Merz kritisieren Israel in einer Schärfe, die einmalig ist in der Geschichte ihrer Länder.
Zwar hat Israel die Hamas weitgehend zerstört und den Erzfeind Iran geschwächt – doch den Kampf um die öffentliche Meinung hat es in den allermeisten Ländern verloren. Kippt die Stimmung nun auch in den USA, dem letzten grossen Verbündeten?
Völkermord-Vorwurf und soziale Medien
Viele Völkerrechtler werfen nicht nur der Hamas, sondern auch Israel Kriegsverbrechen und Völkermord vor. Vor dem Internationalen Strafgerichtshof und dem Internationalen Gerichtshof laufen Verfahren. Israel weist den Völkermord-Vorwurf empört zurück, auch die meisten westlichen Regierung teilen ihn nicht. Und doch prägt er die öffentliche Debatte. Zumal der Straftatbestand einst als Reaktion auf die Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden geschaffen worden war.
Noch mehr Wirkung zeigte der Meinungskrieg in den sozialen Medien, in denen beide Seiten ihre Bilder und Botschaften verbreiten. Nach dem 7. Oktober 2023 fluteten Videos der Hamas-Gräuel Instagram und Tiktok, heute Bilder verstümmelter und verhungernder Kinder im Gazastreifen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte die sozialen Medien «die wichtigste Waffe», um «die Unterstützerbasis in den USA zu sichern».
Die Stimmung in der Bevölkerung hat gedreht
Keine leichte Aufgabe: In Deutschland halten laut einer Umfrage 83 Prozent das Vorgehen Israels im Gazastreifen für nicht gerechtfertigt, und in den USA stellen sich erstmals mehr Befragte auf die Seite der Palästinenser als auf jene Israels.
Neben innen- gibt es auch aussenpolitische Gründe, warum westliche Regierungen auf Distanz zu Israel gehen. Vielerorts im Nahen Ostens gilt das Land spätestens seit dem Luftangriff auf Katar als Gefahr, und der Westen droht als Verbündeter Israels an Einfluss zu verlieren. Zumal die einst untereinander verfeindeten Regionalmächte Ägypten, Türkei und Saudi-Arabien enger zusammenrücken und die Nähe zu China suchen.
Trump ist für Israel ein Risikofaktor
Bislang konnte sich Netanjahu auf die Unterstützung der USA verlassen. Nun drängt Präsident Donald Trump mit seinem «Friedensplan» auf einen Nobelpreis-würdigen Erfolg. Stellt sich Israel quer, könnte auch er auf Distanz gehen. Bereits kritisierte Trump den Angriff auf Katar und forderte ein Ende der Bombardierung des Gazastreifens.
Der vielleicht bekannteste jüdische Kolumnist in den USA, Thomas L. Friedman, schrieb, er könne nicht beurteilen, ob Israel Völkermord begehe. Aber Israel begehe Selbstmord, wenn es sich mit dem Gaza-Krieg zum Ausgestossenen mache.
Im Kampf um die Meinungshoheit bergen die neuen Friedensverhandlungen Chancen und Risiken für beide Seiten. Ausserhalb Israels gibt es vor allem einen Mann, der darauf Einfluss hat – Donald Trump. Seine Unberechenbarkeit macht ihn für die Zukunft Israels zum Risikofaktor.