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Zwei Wochen im Lockdown «Manche Spitäler in Österreich müssen eine Triage vornehmen»

Seit zwei Wochen sind in Österreich Geschäfte geschlossen, Weihnachtsmärkte abgesagt und Restaurants dürfen Speisen nur zum Mitnehmen anbieten. Das Land ist wegen der hohen Corona-Infektionszahlen im Lockdown.

Während sich die Lage in den Spitälern immer noch schwierig präsentiert, konnte die Zahl der täglichen Neuinfektionen inzwischen halbiert werden, wie SRF-Korrespondent Peter Balzli berichtet.

Peter Balzli

Österreich- und Osteuropa-Korrespondent

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Peter Balzli hat Wirtschaft und Medienwissenschaften in Bern und Berlin studiert. Danach absolvierte er die Ringier-Journalistenschule und begann 1995 beim SRF zu arbeiten. Bevor er zwischen 2001 und 2013 als SRF-Korrespondent aus Paris und London berichtete, arbeitete Balzli 2000 bis 2001 als Delegierter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Seit 2016 ist Peter Balzli Österreich- und Osteuropa-Korrespondent.

SRF News: Wie ist die Stimmung in Österreich?

Peter Balzli: Sie ist sehr angespannt. Viele Massnahmen- und Impfgegner kochen vor Wut, vor allem seit der erste Gesetzesentwurf zur Impfpflicht bekannt ist. Er sieht eine Busse in Höhe von 600 Euro alle drei Monate vor für jemanden, der oder die sich nicht impfen lassen will. Es droht also eine Busse von 2400 Euro pro Jahr.

Gegen die vor zwei Wochen verkündeten Massnahmen war es zu heftigen Protesten gekommen – haben sich die gelegt?

Nein. Für Protest sorgt aber vor allem die Impfpflicht. Es vergeht kaum ein Tag ohne Demonstration der Impfgegner. So protestierten am Wochenende Impfgegner in Wien und in Salzburg.

Es vergeht kaum ein Tag ohne Demonstration der Impfgegner.
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Ein anderes Beispiel: Letzte Woche musste die Polizei fast jeden Abend wegen einer Gruppe Demonstranten vor dem Stephansdom in Wien auffahren. Sie versuchten immer wieder, ohne Maske in den Dom zu gelangen – angeblich, um zu beten, tatsächlich aber aus Provokation. Die Lage hat sich also keineswegs beruhigt.

Demonstrationsmenge.
Legende: Erst am Wochenende kam es in Wien zu einer Grossdemonstration von Impfgegnerinnen und -gegnern. Reuters

Wie erleben Sie den Lockdown in den Strassen Wiens?

Zwar sind viel weniger Menschen auf den Strassen als sonst in der Weihnachtszeit – die Weihnachtsmärkte sind geschlossen. Aber es sind doch viel mehr Leute unterwegs als während des ersten Lockdowns. Diesmal sind Take-aways oder Wurststände geöffnet, auch gibt es rund 30 Gründe, warum man die Wohnung verlassen darf. Die Situation wird dem Wort «Lockdown» deshalb nicht ganz gerecht – ich würde eher von «Ausgangsbeschränkungen» sprechen.

Die Massnahmen waren wegen der prekären Situation in den Spitälern eingeführt worden. Wie präsentiert sich die Lage dort zurzeit?

Die Zahl der Neuinfektionen hat sich innert Wochenfrist in etwa halbiert – derzeit stecken sich täglich noch rund 7000 Menschen neu mit dem Virus an. Auch die Zahl der Spitaleinweisungen wegen Covid ist gesunken.

Jene, für die es keinen Platz auf der Intensivstation hat, werden auf die Normalstation verlegt – oftmals, um dort zu sterben.
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Doch die Lage auf den Intensivstationen ist immer noch dramatisch: Manche Spitäler müssen eine Triage vornehmen und entscheiden, welche Patienten die besseren Überlebenschancen haben. Jene, für die es keinen Platz auf der Intensivstation hat, werden auf die Normalstation verlegt – oftmals, um dort zu sterben.

Der Lockdown soll bis Ende Woche gelten – wird es dann Lockerungen geben?

Das ist tatsächlich absehbar, aber auch sehr umstritten. Die Bundesländer drängen darauf, das Heft wieder selber in die Hand zu nehmen. Doch insbesondere der grüne Regierungspartner in Wien ist damit nicht einverstanden.

Die Tourismusindustrie drängt mit viel Macht auf ein Ende der Corona-Massnahmen.

Bis Ende Woche wird sich zeigen, wer den Machtkampf gewinnt. Klar ist: Die Tourismusindustrie ist eine der stärksten Lobbys im Land und sie drängt mit viel Macht auf eine Beendigung der Corona-Massnahmen noch vor den Weihnachtsferien.

Seit Freitag hat Österreich mit Karl Nehammer einen neuen Bundeskanzler. Welche Auswirkungen hat das auf die Pandemiepolitik?

Nach dem Rücktritt von Ex-Kanzler Sebastian Kurz haben die Bundesländer in Österreich wieder mehr Macht. Es zeichnet sich jetzt ein ständiges Armdrücken zwischen Bundesregierung und Bundesländern ab. Das ist sicher keine gute Situation für eine wirksame Pandemiepolitik.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

SRF 4 News, 06.12.2021, 06:20 Uhr ; 

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