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Rüstungsausgaben in Österreich Unsere Nachbarn fühlen sich nicht bedroht

Am 27. September entscheidet die Schweiz über den Kauf neuer Kampfjets. In Österreich ist man ebenfalls daran, die Luftverteidigung zu erneuern. Doch dort ist niemand bereit, so viel zu investieren.

Österreich plant, seine Luftraumverteidigung zu erneuern. Kostenpunkt: maximal eine Milliarde Euro. Das ist ein Bruchteil dessen, was die Schweiz für neue Kampfflugzeuge ausgeben will.

Das komme nicht von ungefähr, denn in Österreich sei es undenkbar, so viel Geld wie die Schweiz dafür auszugeben, erklärt Georg Mader, ein Militärluftfahrt-Journalist: «Da würden sie in Österreich jede Wahl verlieren. Sie würden gekreuzigt.»

Da würden sie in Österreich gekreuzigt.
Autor: Georg Mader Militärluftfahrt-Journalist

Das Militär habe in Österreich weit weniger politische Unterstützung als in der Schweiz – aus historischen Gründen. So begrüsste das Land den Einmarsch der Nationalsozialisten, statt ihn abzuwehren. «Die Schweiz dagegen hat im Zweiten Weltkrieg ihren Luftraum aktiv verteidigt.» Die Folge sei, dass Österreich heute gar nicht fähig ist, einen Luftangriff abzuwehren.

Kann Neutralität verteidigt werden?

Dass das Militär in Österreich über relativ wenig Einfluss verfügt, habe auch mit der unterschiedlichen Auffassung der Neutralität zu tun, erklärt Franz Eder, Professor für Politologie an der Universität Innsbruck, spezialisiert auf Sicherheitsfragen.

«Die Schweizer Neutralität ist eine Neutralität, die völkerrechtlich verbrieft ist.» Die Schweiz sei der Meinung, man müsse die Neutralität bis auf die Zähne bewaffnet verteidigen.

Die österreichische Neutralität hingegen sei eine Neutralität, die von aussen, von der Sowjetunion, aufgezwungen wurde. «Österreich hatte die Zustimmung der Sowjetunion nur bekommen, weil man sich im Moskauer Memorandum bereiterklärt hat, neutral zu bleiben», so Eder.

«Aber Österreich war immer klar, dass diese Neutralität zumindest auf dem Papier zwar militärisch verteidigt werden muss, aber am Ende gar nicht verteidigt werden kann.»

Bundesheer mit wenig Rückhalt

Im Kalten Krieg war es in Österreich allen klar, dass das kleine Land einen Angriff der Roten Armee nicht hätte abwehren können. Wien setzte deshalb eher auf Diplomatie, um zu verhindern, dass das Land Ziel militärischer Angriffe wurde.

Das Militär habe deshalb praktisch keinen Rückhalt in der Politik, sagt Eder. «In der Schweiz habe ich den Eindruck, dass es um das, was die Armee in der Schweiz sagt, keine grosse Diskussion gibt. In Österreich ist der einzige Akteur, der wirklich versucht, auf militärische Notwendigkeiten hinzuweisen, das Bundesheer.»

Von wem sollte man angegriffen werden?
Autor: Franz Eder Professor an der Universität Innsbruck

Das Bundesheer habe keine Fürsprecher. «Es gibt in Österreich keine grosse aussen-sicherheitspolitische Diskussion. Das ist in Österreich ein Nicht-Thema», so der Politologe. Ein Nicht-Thema sei die Rüstung auch deswegen, weil die Bevölkerung keine Bedrohung sehe. «Von wem sollte man angegriffen werden?»

Notwendigkeit wird nicht gesehen

Österreich sei Teil der EU. «Die Länder, die nicht zur EU gehören, sind die Schweiz und Liechtenstein, und von denen fühlt man sich wirklich nicht bedroht. Im Gegenteil», sagt Eder. «Das heisst, in der öffentlichen Wahrnehmung gibt es keine Notwendigkeit für ein hochgerüstetes Bundesheer.»

Zwei neutrale Alpenrepubliken im Herzen Europas gehen also verteidigungspolitisch völlig unterschiedliche Wege. Journalist Mader und Politologe Eder sind sich einig, dass ein Budget von sechs Milliarden für neue Kampfjets in der Schweiz eine intakte Chance hat, von der Bevölkerung angenommen zu werden. In Österreich aber wäre so etwas absolut undenkbar.

Echo der Zeit, 20.07.2020, 18:00 Uhr

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