Das wurde im Vorfeld befürchtet: Vor der ersten Session nach der Katastrophe im Lötschental hatte das Büro des Walliser Kantonsparlaments Bedenken. Und zwar, dass die Regierung mit dringlichen Vorstössen zu Blatten überflutet wird, weil alle helfen wollen. Hilfe für das Dorf Blatten VS, das am 28. Mai durch einen Felssturz aus Geröll und Eis komplett zerstört wurde.
Das ist das Problem: Dringliche Vorstösse bedeuten für die Regierung jeweils Arbeit, weil sie bis zum Ende der Sessionswoche bearbeitet und beantwortet sein müssen. Arbeit, die aktuell möglichst vermieden werden solle, da der Staatsrat so oder so mit Blatten VS stark beschäftigt ist. Und weil die Expertinnen und Experten des Kantons schon die ganze Zeit in Blatten involviert sind, sollte ihnen nicht noch mehr Arbeit aufgeladen werden. Deshalb hat das Büro des Kantonsparlaments Parlamentarierinnen und Parlamentarier gebeten, möglichst keine dringlichen Vorstösse zum zerstörten Dorf einzureichen.
Das hat funktioniert: Wie der erste Sessionstag in Sitten zeigt, haben sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier an die Aufforderung gehalten. Es wurden zwei dringliche Motionen eingereicht, allerdings mit identischem Wortlaut. Unterschrieben von den Präsidentinnen und Präsidenten aller Fraktionen. Das sei wichtig, sagt Martin Kalbermatten, Neo Oberwallis: «Wenn jede Partei einzeln Vorstösse eingereicht hätte, um Politik zu betreiben, wäre das ein schlechtes Zeichen gegenüber der Bevölkerung von Blatten gewesen.»
So sind die Vorstösse entstanden: Am Pfingstmontag sind die Fraktionspräsidenten aller Parteien gemeinsam ins Lötschental gereist, um sich dort mit den vier betroffenen Gemeindepräsidenten auszutauschen. Und sie sind mit einem Helikopter über Blatten geflogen. Beim Austausch mit den Verantwortlichen klärten sie dann ab: Was brauchen sie am dringendsten? Womit kann die Politik unterstützen? Was ist wichtig? Daraus sind Forderungen entstanden, die in der dringlichen Motion gebündelt sind. «Für mich entsteht damit eine Lex Blatten. Es geht darum, pragmatisch und unbürokratisch zu handeln», so Aron Pfammatter, Mitte Oberwallis.
Das sind einige der Forderungen: Beispielsweise soll die Strassenverbindung nach Blatten umgehend realisiert werden. Es soll zusätzlicher Wohnraum für die Bevölkerung geschaffen werden. Dafür brauche es unbürokratische Baubewilligungsverfahren. Damit die Menschen im Lötschental bleiben, sollen alle Angebote der obligatorischen Schule erhalten bleiben. Geschädigte Firmen sollen Kurzarbeit einführen können und sollen auch sonst gezielt unterstützt werden. Wer Spenden erhält, soll diese nicht versteuern müssen. Für Claudia Alpiger von der SP Oberwallis sind diese gebündelten Forderungen «ein wichtiges Zeichen gegenüber den Blattnerinnen und Blattnern, dass die gesamte kantonale Politik hinter ihnen steht». Und Christian Gasser, SVP Oberwallis, sagt: «Bei einer solchen Katastrophe muss man nicht meinen, dass die bestehenden Gesetze alles abdecken – aussergewöhnliche Ereignisse brauchen aussergewöhnliche Massnahmen.»
So geht es nun weiter: In der Motion wird die Walliser Kantonsregierung aufgefordert, mittels eines dringlichen Dekrets im Herbst 2025 sämtliche gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit die Forderungen erfüllt werden können. Diese gesetzlichen Grundlagen werden im Kantonsparlament diskutiert.