Ein Ehepaar meldet sich beim SRF-Konsumentenmagazin «Espresso»: Es fühlt sich im Stich gelassen. Eigentlich hatten sie sich auf die geplante China-Reise gefreut. Im Oktober 2020 wäre es losgegangen. Auf die Kultur-Reise aufmerksam wurden sie durch das Museum Rietberg in Zürich. Die Museumsgesellschaft offeriert immer wieder Kultur-Reisen in ferne Länder, zusammen mit Experten und Expertinnen des Museums und in Zusammenarbeit mit dem Reiseveranstalter «Reisen und Kultur» in Zürich.
Wie viele andere Reisen fiel auch diese der Pandemie zum Opfer. Das Reisebüro informierte: Entweder das Paar verschiebe die Reise um ein Jahr (mit Zusatzkosten), oder es verzichte auf die Reise und müsse mit Annullationskosten rechnen.
Annullationskosten – zu Unrecht
Die beiden entschieden sich, ganz auf die Reise zu verzichten und erhielten prompt die Rechnung: Knapp 2800 Franken mussten sie für die Annullation bezahlen, von der geleisteten Anzahlung erhielten sie nur noch einen Bruchteil zurück.
Auf seine Reklamation hin beschied «Reisen und Kultur» dem Ehemann, er könne den Verlust ja bei seiner Reiseversicherung anmelden. Doch diese winkt ab: In einem solchen Fall sei vorgesehen, dass der Reiseveranstalter sämtliche Kosten rückerstatte. Vom Ombudsmann der Reisebranche erhält der Kunde dieselbe Einschätzung: Ein Reisebüro könne in solchen Fällen für seine Aufwände zwar eine Bearbeitungsgebühr verlangen, aber grundsätzlich hätten die Kunden Anspruch auf Rückerstattung.
Reiseverbands-Präsident: «Volle Rückzahlung»
Die gesetzliche Grundlage für diese Einschätzung bildet das Pauschalreisegesetz. Dieses sagt klar, dass wenn eine Reise nicht stattfinden kann, der Konsument Anspruch hat auf Rückerstattung von bereits bezahlten Kosten. Wie schon in früheren Berichten zum Thema bestätigt dies auch Rechtsprofessor Vito Roberto von der Hochschule St. Gallen.
Wenn die Reise vom Reisebüro annulliert wird, hat der Kunde grundsätzlich immer Anspruch auf die Rückzahlung des vollen Arrangement-Betrags.
Und sogar bei der Organisation der Reiseveranstalter, beim Schweizer Reiseverband, heisst es vom Präsidenten Walter Kunz: «Wenn die Reise vom Reisebüro annulliert wird, hat der Kunde grundsätzlich immer Anspruch auf die Rückzahlung des vollen Arrangement-Betrags.» Auch er hält aber eine Bearbeitungsgebühr für die Aufwände des Reiseveranstalters für gerechtfertigt, maximal 200 Franken.
Ausführliche Stellungnahmen:
Argumente und Kritik stossen auf Widerstand
Für alle diese Argumente haben die Verantwortlichen von «Reisen und Kultur» kein Verständnis. Sie wähnen sich im Recht und schreiben «Espresso» eine Stellungnahme über fünf A4-Seiten. Darin heisst es unter anderem, der Veranstalter hafte laut Pauschalreisegesetz nicht, wenn die Reise aus Gründen der höheren Gewalt nicht habe durchgeführt werden können. Hier liegt aber ein Missverständnis vor: Im entsprechenden Abschnitt des Gesetzes (Artikel 15) geht es um die Haftungsfrage. Diese betrifft Schäden. Wenn also ein Kunde Schadenersatz fordern würde, könnte der Reiseveranstalter eine Haftung ablehnen. Das Ehepaar fordert aber lediglich die bereits bezahlten Kosten zurück.
Weiter verweist «Reisen und Kultur» auf die Reiseversicherungen, welche für solche Fälle einspringen. «Espresso» hat jedoch bei drei grossen Anbietern von Reiseversicherungen nachgefragt, ob sie in einem solchen Fall die Kosten übernehmen würden. Alle schreiben, dies sei nur in Ausnahmen vorgesehen, denn das Pauschalreisegesetz sei klar und die Reiseveranstalter seien in der Pflicht.