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Fifa erweitert WM «Infantino führt das System Blatter fort»

Ab 2026 sollen 48 Mannschaften an der Fussball-WM teilnehmen. Am Vorgehen der Fifa gibt's scharfe Kritik. Etwa von Sportjournalist Jens Weinreich.

SRF News: 2026 kommt die Mega-WM-Endrunde mit 48 Fussballmannschaften. Für die Fifa ein Fortschritt – was ist es für Sie?

Jens Weinreich: Ich weiss nicht, ob das für die Fifa ein Fortschritt ist. Für mich ist es die Fortsetzung des Systems der Vorgänger von Fifa-Präsident Infantino: Es ist intransparente Günstlingswirtschaft – und ausserdem ein unausgegorenes Konzept.

Kernfragen, wie etwa der Spielmodus, sind ungeklärt. Dies wird Infantino für seine Wiederwahl 2019 verwenden.

Jens Weinreich

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Weinreich ist Journalist, Autor und Korruptionsexperte. Er hat sich in den letzten Jahren als scharfer Kritiker von Fifa, IOC & Co. einen Namen gemacht.

Infantino argumentiert, dass Fussball global sei. Künftig sollen deshalb vermehrt auch kleinere Länder an einer WM-Endrunde teilnehmen können. Ist ein solches Ziel nicht die Pflicht eines Präsidenten des Weltfussballverbandes?

In erster Linie ist es ein Wahlversprechen Infantinos, das er nun erfüllt. Infantino verhält sich also genau gleich wie seine Vorgänger, der korrupte João Havelange und der suspendierte Sepp Blatter. Das hat Infantino bei der Uefa unter dem suspendierten Michel Platini gelernt. Natürlich kann man im Rahmen der Fifa seriös über die Ausweitung des Fussballturniers diskutieren. Doch Infantino legt ein Konzept vor, das die Manipulation fördert. Vieles ist also unausgegoren, entscheidende Fragen sind nicht beantwortet. Es ist davon auszugehen, dass Infantino die Entscheidung, welche Kontinentalverbände künftig mehr Mannschaften an die WM schicken dürfen, für seine Wiederwahl verwenden wird.

Infantino verhält sich genau gleich wie seine Vorgänger, der korrupte João Havelange und der suspendierte Sepp Blatter.
Havelange vor einem Fifa-Schriftzug.
Legende: João Havelange (verstorben im August 2016): Der Brasilianer war von 1974 bis 1998 Fifa-Präsident. Reuters Archiv

Die Kritik kommt vor allem von den grossen Teilnehmerländern, die kleinen Verbände sind ganz glücklich über die angekündigte Vergrösserung der WM. Gönnen die Grossen das den Kleinen nicht?

Das mag vor Jahrzehnten so gewesen sein, als Havelange 1974 mit dem Versprechen antrat, die WM von 16 auf 24 Teilnehmer zu erweitern. Heute ist man sich die Erweiterung gewohnt, etwa von der Europameisterschaft. Es sind bei der Fifa ja teilweise die gleichen Funktionäre am Drücker, welche schon die EM von 16 auf 24 Mannschaften erweitert haben. Viel wesentlicher ist, dass die Kernfragen, wie etwa der Spielmodus, ungeklärt sind.

Die Verantwortlichen wollen offenbar keine rasche Klärung, weil sie das Thema für ihre künftigen Machtspielchen verwenden wollen.
Blatter spricht in ihm entgegengehaltene Medien-Mikrofone.
Legende: Sepp Blatter war von 1998 bis 2016 Fifa-Präsident. Reuters

Für die Fans bringt die Teilnahme von mehr Ländern doch durchaus etwas – man denke etwa an Island oder Nordirland; sie brachten stimmungsmässig doch einen Gewinn?

Das mag alles sein. Doch das sind emotionale Argumente, die Infantino ganz geschickt nutzt. Wir sollten uns auf die Fakten und Kernfragen konzentrieren: Wenn man eine WM erweitert, sollte man dies seriös und öffentlich diskutieren. Dies hatte sich Infantino ja auch auf die Fahnen geschrieben. So, wie es jetzt läuft, sind die Umstände und der Modus völlig unklar. Ausserdem kommt in der öffentlichen Diskussion viel zu kurz, wer eine solche Mega-WM mit 80 Spielen überhaupt noch durchführen kann und will. Für 2026 stehen die USA bereit, die haben sicher diese Möglichkeit. Doch was kommt danach?

Platini sitzt vor einem Mikrofon, er macht ein wenig begeistertes Gesicht.
Legende: Michel Platini, früherer französischer Fussball-Star, war von 2007 bis 2015 Präsident der Uefa. Reuters

Bereits fest steht, dass die 48 Mannschaften auf 16 Gruppen zu je drei Teams aufgeteilt werden. Solche Dreiergruppen gab es ja schon in der WM-Geschichte, doch man hat sie wieder abgeschafft. Jetzt will man durch neue Regeln mögliche Manipulationen verhindern. Glauben Sie der Fifa nicht, dass sie das Problem in den Griff bekommt?

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Bisher sehe ich noch nichts. Infantino orakelt, dass man Elfmeterschiessen einführen wolle oder etwas Ähnliches. Doch das ist alles Nonsens: Es gibt in jeder Gruppe drei Spiele. Beim letzten Spiel der Gruppe schaut jeweils ein Team zu, wie die beiden anderen spielen und damit die Möglichkeit erhalten, sich unter Umständen den Gegner der nächsten Runde auszusuchen – je nach Resultat dieses Spiels. Das ist eine Tatsache, die auch Infantino nicht wegdiskutieren kann – auch nicht mit seinen ominösen Elfmeterschiessen. Die Fifa legt in dieser Frage also nichts Brauchbares vor. Sie sagt, man habe noch lange Zeit, die Details zu klären. Doch es geht hier nicht um den Bau einer Marsrakete – man könnte den Modus sehr wohl hier und jetzt klar definieren. Doch die Verantwortlichen wollen offenbar keine rasche Klärung, weil sie das Thema für ihre künftigen Machtspielchen verwenden wollen.

Seit Jahrzehnten nutzt man die Konkurrenz unter den sechs Kontinentalverbänden aus, um Machtspielchen und Machtkämpfe zu betreiben.

Zum Thema Machtspielchen: Wird es um die zusätzlichen 16 Startplätze für die WM-Endrunde nicht zu einem gewaltigen Hauen und Stechen unter den sechs Kontinentalverbänden kommen?

Sicher, aber das ist die Weiterführung der jahrzehntelang praktizierten Politik unter Havelange und Blatter: Man nutzt die Konkurrenz unter den sechs Kontinentalverbänden aus, um Machtspielchen und Machtkämpfe zu betreiben. Diese Phase sollte nun eigentlich überwunden sein, wenn man den Postulaten von Infantino und seiner «Fifa 2.0» glaubt. Allerdings belegt der unausgegorene Entscheid über die Erweiterung der WM-Endrunde das genaue Gegenteil.

Wie viele Teams wären denn ideal für eine WM-Endrunde?

Das kann ich so nicht sagen, es ist auch unerheblich, was ich darüber denke. Ob 36 oder 48 Mannschaften, spielt keine Rolle. Wichtig aber wäre, ein komplettes und gutes Konzept vorzulegen, über das man debattieren und schliesslich entscheiden kann. Nicht so, wie es jetzt wieder gelaufen ist.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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