Seit Mittwoch stören von Unbekannten ferngesteuerte Drohnen den Flugverkehr in London-Gatwick – zehntausende Passagiere sind betroffen.
Dutzende Polizisten und Soldaten haben es bis Freitagmorgen nicht geschafft, die unidentifizierten Flugobjekte vom Himmel zu holen oder die Urheber der Störung ausfindig zu machen. Wieso das so schwierig ist und ob Ähnliches auch in der Schweiz passieren könnte, weiss Matthias Heim.
SRF News: Wieso führen Drohnen über dem Flughafengelände zum vollkommenen Erliegen des Flugverkehrs?
Matthias Heim: Handelsübliche Freizeit-Drohnen mit einem Gewicht von 100 oder 200 Gramm sind für die Flugzeuge kein sehr grosses Problem, auch wenn sie eine Maschine durchaus leicht beschädigen können. Problematischer sind professionell eingesetzte, grössere Flugdrohnen, die mehrere Kilogramm schwer sind. Im Fall von Gatwick soll es sich laut Polizei um ein solch grösseres ferngesteuertes Fluggerät handeln, das womöglich im Eigenbau entstanden ist. Eine solche Drohne kann bei einer Kollision mit einem startenden oder landenden Flugzeug durchaus grössere Schäden verursachen. So könnte sie etwa ein Cockpit-Fenster oder ein Triebwerk beschädigen.
Was können Flughäfen oder die Behörden überhaupt gegen Vorfälle wie jene in Gatwick präventiv unternehmen?
Es gibt technische Möglichkeiten wie etwa Störsender. Solche werden etwa in Gefängnissen eingesetzt, um zu verhindern, dass die Gefangenen mit eingeschmuggelten Handys unerlaubterweise nach draussen telefonieren. Solche Störsender vermögen die Radiosignale im Fall einer Drohnensteuerung allerdings nur in einem gewissen Umkreis zu stören.
Störsender können ein Drohnensignal nur in einem gewissen Umkreis stören.
Weil ein Vorfall wie jener in Gatwick, bei dem offensichtlich jemand mit grossem Aufwand und gezielt versucht, den Flugbetrieb über einen längeren Zeitraum hinweg zu stören, bislang nie vorgekommen ist, haben die Flughäfen bislang auf ein solches, womöglich teures System verzichtet. Manche Drohnenhersteller bauen ab Fabrik ausserdem ein so genanntes Geofencing-System in ihr Fluggerät ein. Damit kann eine Drohne gar nicht starten, wenn sie sich innerhalb einer ausgewiesenen Flugverbotszone – wie dies etwa für ein Flughafengelände gilt – befindet.
Wieso wird die Drohne in Gatwick nicht einfach von Scharfschützen abgeschossen?
Das Abschiessen eines solchen Geräts ist gar nicht so einfach – vor allem wegen möglicher Querschläger. Das Fluggerät bewegt sich sehr schnell und in alle Richtungen. So eine Drohne auf einen oder zwei Kilometer Distanz abzuschiessen ist auch für einen Scharfschützen sehr schwierig – zumal ein bewegliches Ziel getroffen werden muss, ohne dass etwas oder jemand Unbeteiligtes in Mitleidenschaft gezogen wird.
Wer mit schädlicher Absicht in eine Flugverbotszone hineinfliegen will, kann das auch in der Schweiz tun.
Wäre eine Störung des Flugverkehrs durch eine Drohne auch in der Schweiz möglich?
Grundsätzlich schon. Zwar gilt in der Schweiz eine grössere Flugverbotszone für Drohnen rund um Flughäfen von 5 km – in Gatwick beträgt diese bloss 1 km. Wer aber mit schädlicher Absicht mit einer ferngesteuerten Drohne in diese Flugverbotszone hineinfliegen will, kann das auch in der Schweiz tun.
Auch in Zukunft wird man nicht verhindern können, dass jemand mit krimineller Energie selber ein Fluggerät baut, um Schaden anzurichten.
Schon bald aber sollen in ganz Europa neue Regeln gelten, was die Identifikation der Drohnenbesitzer angeht. So soll jedes Fluggerät bald eine eigene Identifikationsnummer erhalten, die auf den Besitzer registriert ist. Auch sollen die Drohnen dann ein Signal aussenden, das von der Flugüberwachung vefolgt und dem Besitzer zugeordnet werden kann. So dürfte es den Behörden in Zukunft leichter fallen, bei Missbräuchen die Urheber zu belangen. Allerdings kann das alles nicht verhindern, dass auch in Zukunft jemand mit krimineller Energie selber ein Fluggerät baut, um Schaden anzurichten.
Das Gespräch führte Roger Aebli