Sportmediziner, Kardiologen und Herztherapeuten berichten von immer mehr gut trainierten, sportlichen Menschen, die einen Herzinfarkt erleiden.
Wissenschaftliche Studien dazu gibt es erst wenige. Zahlreiche Patientenbeispiele aus der Praxis legen aber den Schluss nahe, dass es an der Kombination aus Stress und Sport liegt: Wenn für gestresste Menschen auch beim Sport der Leistungsgedanke an erster Stelle steht, tun sie ihrem Herzen keinen Gefallen.
So fördert Stress den Herzinfarkt
Patrick Bata ist ein Musterbeispiel. Wer ihn auf dem Hometrainer sieht, kommt nicht auf die Idee, einen Herzpatienten vor sich zu haben. Im Therapieraum des Universitätsspitals Zürich rackert sich der zehn Jahre jünger wirkende Patient vielmehr ab, als trainiere er für die Tour de Suisse.
Und so ähnlich fühlt er sich wenige Wochen nach seinem Infarkt auch. Nicht als Patient, sondern als Sportler im Aufbautraining. Ziel: So schnell wie möglich wieder so extrem trainieren wie früher.
Stressfaktor Ehrgeiz
In diesem Ehrgeiz sieht Kardiologe Christian Schmied das Problem seines Patienten. Ist der Ehrgeiz zu gross, kann er zu negativem Stress werden. Und negativer Stress – so zeigen immer mehr Studien – steigert das Risiko für Herzinfarkte. Zwar lässt es sich nicht nachweisen, aber Schmied ist überzeugt, dass der Druck, den sich der übermotivierte Hobbysportler selber auferlegte, mitverantwortlich ist für den Herzinfarkt.
Stress begünstigt die Bildung von Ablagerungen in den Herzgefässen. Sind diese Plaques hart, richten sie keinen grossen Schaden an. Sind sie aber entzündlich und weich, können sie unter emotionaler oder körperlicher Anstrengung – wie zum Beispiel beim Sport – aufreissen. Das Blut reagiert wie bei jeder Wunde, gerinnt an der gerissenen Stelle und verschliesst so das Gefäss.
Warum die Plaque bei den einen hart ist und bei andern weich, ist bis heute nicht geklärt. Bei Patrick Bata hat die Untersuchung der Blutgefässe gezeigt, dass seine Plaques weich sind.
Enormes Trainingsprogramm
Patrick Bata hatte sein eh schon immenses Trainingspensum dieses Jahr stark ausgebaut, um sich optimal auf Veloferien in Sardinien vorzubereiten: Zusätzlich zum dreimaligen Fitnesstraining inklusive Spinning war er auch mindestens zwei- bis dreimal pro Woche auf der Strasse anzutreffen. Bis zum Sommer hatte er so 2000 Kilometer und rund 20'000 Höhenmeter in den Beinen. In den Veloferien selber strampelte er in einer Woche rund 600 Kilometer ab, dazu locker 2000 Höhenmeter pro Tag.
Zurück zu Hause dann der völlig überraschende Herzinfarkt.
Leistungsdruck zügeln
Bata ist kein Einzelfall. In der heutigen Leistungsgesellschaft sei der Erfolgsdruck auch bei Hobbysportlern weit verbreitet, ist Christian Schmied überzeugt. Entsprechend sehe er immer mehr Patienten mit einer ähnlichen Geschichte wie die von Patrick Bata. Dieser sollte seinen Ehrgeiz dringend zügeln, wenn er einen weiteren Infarkt verhindern will.
Dies dem Patienten beizubringen sei eine heikle Aufgabe, weiss der Kardiologe. Einerseits soll der Patient dem Herz zuliebe weiter Sport treiben, andrerseits muss er den negativen Stress dabei loswerden. Bei Bata scheint die Botschaft noch nicht angekommen zu sein.