Die Spuren der Kolonialzeit sind auch heute noch sichtbar, man muss nur wissen, wo. Die Stiftung Cooperaxion bietet seit Jahren in Bern Führungen an, bei der man die Kolonialgeschichte Berns entdeckt. Karl Rechsteiner zeigt uns mehrere Schauplätze in der Stadt und erklärt die Geschichte dahinter.
Der Holländerturm
Der Turm am Waisenhausplatz ist Teil einer alten Befestigungsanlage und gehörte lange Holländern. Die Niederlande waren besonders im 17. Jahrhundert eine der bedeutendsten Kolonialmächte der Welt. Übersee lernten sie auch das Tabaktrinken, so sagte man dem Rauchen damals. In Bern war das Rauchen verboten, deshalb trafen sich die reichen Berner damals bei den Holländern im Turm um heimlich dennoch zu paffen.
Die Berner waren offensichtlich sehr gut mit den Holländern vernetzt. Beim gemeinsamen Rauchen blieb es nicht. Reihenweise schickten die Berner Truppen von Schweizer Söldnern in die Kolonien Hollands, in Zentral- oder Südamerika beispielsweise. Dort halfen die Söldner mit, Sklavenaufstände niederzuschlagen, erklärt Rechsteiner. Das Söldnerwesen hat also entscheidend mitgeholfen, das Kolonialwesen am Leben zu erhalten. Und die Berner Auftraggeber machten derweil ein gutes Geschäft.
Die Colonial Bar
Früher war in diesem Gebäude ein Kolonialwaren-Laden. Verkauft wurden neben Kaffee auch andere koloniale Produkte: Zucker, Mais, Kartoffeln, Kakao und mehr, was das Kochen im 19. Jahrhundert zu einem ganz neuen Erlebnis machte.
Wer diese Produkte aus den Kolonialläden angebaut hat? Versklavte Menschen, verschleppt aus Afrika. Zum Beispiel in Surinam, einem Staat im Norden Südamerikas. Dort hatten auch Schweizer eigene Plantagen, waren also selbst auch Sklavenhalter, so Rechsteiner.
Das sieht man zwar heute nicht mehr, wenn man die Bar anschaut. Auch der Kaffee wird mittlerweile mit fairem Label hergestellt. «Colonial» als Namen könne aber problematisch sein, insbesondere, weil man in der Werbung früher immer mit dem «Charme» der Kolonie gespielt habe und dabei verdrängt habe, dass ganz viele Menschen verschleppt und versklavt wurden.
Die Zunft zum Mohren
In der Kramgasse steht ein Haus mit der Aufschrift «Zunft zum Mohren». Beim einen Eingang prangt das Logo, auf der anderen Seite steht eine Statue. Die Zunft zum Mohren war einst die Zunft der Handwerker. Das Logo sei deshalb problematisch, weil es einen Mann afrikanischer Herkunft stereotypisch zeigt als «wilden Mann», erklärt Karl Rechsteiner. Es gab einen eigenen wissenschaftlichen Zweig, der versuchte, Rassismus wissenschaftlich zu begründen, zum Beispiel, dass Weisse schlauer seien als Schwarze.
Seit Jahren wird die Zunft für ihren visuellen Auftritt immer wieder kritisiert. Das umstrittene Logo ist auch heute noch zu sehen, die Statue hingegen wurde vor Kurzem verhüllt.
Nicht vergessen, aber auch nicht diskriminieren
Das Interesse an der Kolonialgeschichte der Schweiz sei so gross wie noch nie, so Karl Rechsteiner von der Stiftung Cooperaxion, die Stadtführungen anbietet.
Er wünscht sich, Lösungen zu finden für das heutige Zusammenleben. Einerseits dürfe man die Geschichte nicht vernichten und somit vergesse, was hier früher geschah, andererseits müsse man Menschen mit dunkler Haut unbedingt Respekt entgegenbringen und somit störende Symbole kontextualisieren.