Die Volksinitiative «1:12 – Für gerechte Löhne» verlangt, dass in einem Unternehmen der höchste bezahlte Lohn das Zwölffache des tiefsten Lohns nicht übersteigen darf. Mit dieser Forderung wollen die Initianten die Löhne des Top-Kaders begrenzen und zur Anhebung der niedrigsten Löhne beitragen.
Der Bundesrat lehnt die Initiative ab. Seine Gründe:
- Abschwächung des Arbeitsmarkts und Wirtschaftsstandorts Schweiz
- Hohe Steuer- und Sozialversicherungsausfälle
- Förderung von Umgehungsversuchen – höherer administrativer Aufwand
«Wir sind europaweit eine Ausnahmeerscheinung», sagte der Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Zum Erfolgsrezept gehörten die intakte Sozialpartnerschaft und das liberale Arbeitsgesetz. Die 1:12-Initiative stelle dieses Rezept in Frage.
Auch KMU betroffen
Grossunternehmen sind heutzutage sehr mobil, und die Standortkonkurrenz ist gross. Wenn die «1:12»-Initiative umgesetzt würde, bestehe die Gefahr, dass in der Schweiz ansässige Unternehmen das Land verlassen. Ausländische Unternehmen, die einen neuen Standort suchen, könnten durch die Einschränkungen für die hohen Löhne abgeschreckt werden und sich gar nicht erst in der Schweiz niederlassen, sagte der Wirtschaftsminister.
Die Schwächung des Wirtschaftsstandorts Schweiz würde somit auch kleinere und mittlere Unternehmen treffen, die oft als Zulieferer von Grossunternehmen arbeiten.
Spitzenverdiener zahlen viel Steuern und überdurchschnittliche hohe Sozialversicherungsbeiträge. Wird der Lohn auf das Zwölffache des kleinsten Lohns in einem Betrieb gedeckelt, fallen Steuergelder weg.
Ausfälle von 600 Millionen Franken
Schneider-Ammann warnte vor hohen Ausfällen bei den Sozialversicherungen. Jene 12'000 Personen, die mehr als 500'000 Franken verdienten, hätten im Jahr 2011 insgesamt 550 Millionen Franken an die AHV beigesteuert, gab er zu bedenken.
Würden nun wegen der 1:12-Initiative die höchsten Löhne wegfallen, würden die Einnahmen schrumpfen. AHV und ALV müssten auf 600 Millionen Franken pro Jahr verzichten, sagte Schneider-Ammann. Und diese Schätzung sei «an der unteren Grenze».
Viele Unsicherheitsfaktoren
Die Zahl von 600 Millionen Franken nannte er zum ersten Mal. Bisher hatte der Bundesrat die möglichen Ausfälle nicht beziffern wollen. Es gebe zu viele Unsicherheitsfaktoren, hielt er vor rund zehn Tagen in der Antwort auf eine Interpellation aus dem Nationalrat fest.
Auf die Frage, warum er nun doch Zahlen nenne, sagte Schneider-Ammann, es sei wichtig, auch die materiellen Konsequenzen transparent zu machen. Er betonte aber, es handle sich nicht um eine Prognose.
Ob und wie viel Einnahmen den Sozialversicherungen entgehen würden, hängt nicht zuletzt davon ab, ob mit der Annahme der 1:12-Initiative die tiefen Löhne steigen würden. Die Initianten gehen davon aus, dass dies der Fall wäre. Schneider-Ammann dagegen ist überzeugt, dass das gesamte Lohngefüge nach unten angepasst würde.
Über die Volksinitiative «1:12 – Für gerechte Löhne» können die Schweizer am 24. November an der Urne abstimmen.