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100 Jahre Migros Mehr Bescheidenheit, weniger hochfliegende Pläne

Im Jubiläumsjahr hat die Migros wenig zu feiern, auch wenn ihre Verdienste unbestritten sind: Die Migros hat den Schweizer Detailhandel in den vergangenen Jahrzehnten geprägt, die Marke ist beliebt bei der Bevölkerung. Allerdings ist das Unternehmen aus dem Tritt geraten und hat jetzt einen steinigen Weg vor sich.

Ausgerechnet im Detailhandel – dem Kerngeschäft der Migros – läuft es nicht rund. Und dies, obschon die Aussichten grundsätzlich positiv sind: Die Schweizer Bevölkerung wächst, was eigentlich eine grosse Chance wäre. Allerdings ist die Migros in den vergangenen Jahren gegenüber der in- und ausländischen Konkurrenz ins Hintertreffen geraten.

Diesen Rückstand versucht das Unternehmen nun mit einem Bündel an Massnahmen wettzumachen: Supermärkte aufhübschen, mehr kleinere Ladenformate eröffnen, mit tiefen Preisen werben oder Marketing, Logistik und Einkauf zentralisieren. Inwiefern diese Schritte den Erfolg zurückbringen, muss sich allerdings erst noch weisen. Pikant ist, dass es genau jene Massnahmen sind, mit denen sich die Konkurrenz ihren Vorsprung verschafft hat.

Die Migros bleibt ein bunt gemischtes Unternehmen

Der Detailhandel steht folgerichtig mehr denn je im Fokus der Migros. Erst recht, nachdem sich der riesige Gemischtwarenkonzern auch noch einer umfassenden Schlankheitskur unterzogen hat: Die Migros hat unrentable Fachmärkte abgestossen, aber mit Hotelplan – übrigens seit Anbeginn ein fester Bestandteil des Migros Universums – auch eine profitable Sparte veräussert.

Trotzdem bleibt die Migros ein bunt gemischter Riese. Die Migros Bank ist dank ihrer Gewinne die «Lebensversicherung» der Genossenschaft – und unbestritten. Ebenso hält der Konzern an der Gesundheitssparte mit Apotheken und Praxen fest, die künftig ein tragender Pfeiler der Migros sein soll. Allerdings zehrt diese Sparte bislang mit ihren wiederkehrenden Verlusten vor allem an der Substanz der Migros. Letztlich haftet dem Unternehmen in seiner heutigen Form doch etwas Zufälliges an.

Die Migros, eine moderne Glücksritterin

Verstärkt wird der Eindruck des Zufälligen dadurch, dass jede neue Führungsmannschaft in der Zentrale und die regionalen Genossenschaften fortlaufend Neues wagen. Grundsätzlich ist das löblich. Doch den vollmundigen Versprechen folgt häufig Ernüchterung: Zu oft schon hat sich die Migros in kostspieligen Abenteuern verrannt.

Aktuell zeigt sich das Risikofreudige bei Digitec-Galaxus: Die Übernahme der Onlineplattform durch die Migros gilt heute als erfolgreicher Schachzug. Bei der derzeitigen Expansion ins Ausland stellt sich hingegen die Frage, ob die Rechnung aufgeht, oder ob dieser Schritt nicht in einem neuerlichen Desaster endet, so wie die vorherigen Abstecher ins Ausland. Schliesslich ist Galaxus für die europäische Kundschaft ein «Nobody», der erst noch im gleichen Teich fischt, wie die internationalen Schwergewichte Amazon, Mediamarkt, Temu & Co. Dagegen bestehen zu wollen und noch Geld zu verdienen, ist zweifelsohne wagemutig.

Insgesamt stellt sich schon die Frage, ob noch mehr Bescheidenheit und Rückbesinnung auf den Kern – als verlässlicher Lieferant von Gütern des täglichen Bedarfs – nicht angezeigt wären. Glücksritterin war die Migros in der Vergangenheit beileibe oft genug.

Matthias Heim

Wirtschaftsredaktor

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Matthias Heim hat Wirtschaftsgeschichte studiert. Seit 2007 arbeitet er für Radio SRF, seit 2016 ist er Wirtschaftsredaktor. Seine Spezialgebiete sind Aviatik, Tourismus, Verkehr, Detailhandel und Energie.

Echo der Zeit, 15.8.2025, 18 Uhr; noes

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