Die Grenzgänger im Tessin sind ein politischer Dauerbrenner. 2015 sorgte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Tessin für grosse Erleichterung, als sie zusammen mit ihrem italienischen Kollegen ein neues Grenzgänger-Abkommen mit Italien vorstellte.
Das Abkommen sollte unter anderem die italienischen Grenzgänger mehr besteuern, die Sogwirkung des Tessins als Arbeitsort soll damit kleiner werden und das Problem Lohndumping bekämpft werden.
«Offenbar will Italien das Abkommen nicht»
Vier Jahre später wird jedoch deutlich, dass das Abkommen vermutlich gescheitert ist, weil es Italien nicht umsetzt, das Abkommen ist bis heute nicht unterschrieben. Bundesrat Ignazio Cassis findet deutliche Worte: «Wenn man etwas nicht will, findet man immer einen Weg, dass es nicht geht.» Offenbar wolle die heutige Regierung in Italien das Abkommen nicht.
Dennoch versuche die Schweiz weiter zu verhandeln, so der FDP-Bundesrat. Die Hoffnung sterbe bekanntlich zuletzt, aber: «Die Hoffnung nimmt ab. Inzwischen ist auch der Vertrag veraltet.» Man müsste wahrscheinlich neu verhandeln und den Vertrag erneuern.
Weil sich nichts bewegt, werden Tessiner Politiker nun selber aktiv. Diese Woche hat die Tessiner Regierung die kantonalen Kompetenzen deutlich überschritten. Sie beschloss einen Teil der Grenzgängersteuern, konkret 3,8 Millionen Franken von über 80 Millionen, nicht nach Italien zu überweisen.
Dies sei das Pfand für die ausstehenden Gelder, die die hoch verschuldete italienische Gemeinde Campione d’ Italia dem Kanton Tessin schulde, so die bemerkenswerte Erklärung der Tessiner Regierung.
Tessin verhandelt mit der Lombardei
«Den Entscheid kann man verstehen und erhöht etwas den Druck,» sagt Cassis weiter. In einem politischen Dialog sei dies absolut zulässig, auch wenn es rechtlich unzulässig sei.
Rechtlich unzulässig, weil die Grenzgängerbesteuerung Bundeskompetenz ist. Weil aber der Bund mit Rom nicht weiterkommt, muss halt der Kanon aktiv werden, sagt Tessiner Regierungsrat Norman Gobbi. «Wir haben einen guten Draht zu unseren Kollegen in der Lombardei. Wir verhandeln mit ihnen über das Grenzgängerabkommen und hoffen, so den Druck nach Bern und vor allem nach Rom erhöhen zu können.»
Unterschrift in weite Ferne gerückt
Wird das mühsame Seilziehen um dieses Abkommen für den Tessiner Bundesrat in Bern zum Bumerang, der seiner Beliebtheit schadet? Auf keinen Fall sagt Cassis: «Ich bin gekommen, als der Vertrag schon fast vier Jahre in einer Schublade lag. Je länger der Vertrag in der Schublade bleibt, desto schwieriger wird es, eine Unterschrift zu erreichen.»
Der Beweis, dass das Grenzgängerabkommen mit Italien gescheitert ist.