Mehr und mehr Italiener reisten anfangs der 60er Jahre in die Schweiz. Das Land boomte, Arbeit war vorhanden, die Löhne im Vergleich zum Ausland hoch. Aber immer stärker wurde die Ablehnung gegen die Neuzuzüger. Wehrten sich zuerst Gewerkschafter, weil sie Angst hatten vor der Konkurrenz aus dem Ausland, übernahmen neue Rechtsparteien die Wortführerschaft gegen Ausländer.
Messerstecher, Tschinggen oder «artfremdes Gewächs»: Sie schürten Ausländerhass und wehrten sich gegen mehr Rechte für Ausländer zum Beispiel auf dem Wohnungsmarkt. Aus diesem Umfeld kam auch James Schwarzenbach, dessen Initiative einen Neuanfang der Zuwanderungspolitik auslöste. Die «Italiener-Frage» sollte bis dahin die politische Diskussion in der Schweiz bestimmen.
Seit dem 2. Weltkrieg konnten Firmen so viele Arbeitskräfte holen, wie sie brauchten. Die Zulassungspraxis habe sich an den Bedürfnissen der Wirtschaft zu orientieren, meinte der Bundesrat noch 1958. Diese Politik der offenen Tür führte in den Jahren 1956 bis 1970 zu rekordhohen Zuwanderungszahlen.
Das Primat der Wirtschaft war angesichts von jährlich bis zu 100’000 Neuzuwanderern aber nicht mehr haltbar. Der Bundesrat verfolgte eine Richtungsänderung hin zu einem neuen Primat der Politik, welche neu die Zuwanderung steuern sollte.
1963 erliess er eine erste Plafonierungsmassnahme: «Zur Abwehr der Überfremdung und aus konjunkturpolitischen Gründen», hielt er fest, sollten Firmen in bestimmten Branchen nicht mehr Arbeiter einstellen dürfen, als im Vorjahr bereits bei ihr angestellt waren. Die Massnahme betraf Ausländer und Schweizer, was zeigt, dass der Bundesrat auch die heisslaufende Wirtschaft und das rasante Wachstum in den Griff bekommen wollte.
Druck aus der Wirtschaft
Bis 1969 sollten mehrere Verschärfungen und Lockerungen der Plafonierungsmassnahmen folgen – alle aber blieben in ihrer Wirkung bescheiden. Denn auf der anderen Seite machte auch die Wirtschaft gehörig Druck: Sie wollte sich durch eine Beschränkung der verfügbaren Arbeitskräfte die Profite der aussergewöhnlichen Boomphase nicht nehmen lassen und auch die Löhne sollten nicht wegen mangelndem Arbeitsangebot noch mehr steigen.
Aber obwohl in der zweiten Hälfte der 60er Jahre die Neuzuwanderung leicht sank – insgesamt lebten immer mehr Ausländer in der Schweiz. Viele von ihnen hatten genügend Jahre hier gearbeitet, um das Recht auf ständige Niederlassung zu bekommen und um die Familie in die Schweiz zu holen.
Bald eine Million Ausländer
Deswegen hatten der Bundesrat und die Wirtschaft Angst vor Schwarzenbachs Initiative. Diese verlangte, dass nur noch 10 % der Schweizer Wohnbevölkerung Ausländer sein durften – 1970 aber waren es 16 % (heute: 25%). Insgesamt 300’000 hätten das Land verlassen müssen. Und: Firmen hätten keinen Schweizer wegen Rationalisierungsmassnahmen entlassen dürfen, solange noch Ausländer bei ihr beschäftigt waren. Ein Horror-Szenario für die Wirtschaft und viele Schweizer, welche die Italiener mittlerweile als Bereicherung für die Schweiz erlebten.
Die Angst vor einem Ja zur Initiative – die ausländische Wohnbevölkerung wuchs innert zehn Jahren von 500’000 auf eine Million – war für den Bundesrat ein wesentlicher Grund, drei Monate vor dem Urnengang eine völlig neue Zuwanderungspolitik einzuführen.