Die ersten Solothurner Filmtage 1965 sind farbig, wild und politisch. Sie bringen den revolutionären Geist der 68er-Bewegung in die bürgerliche Kleinstadt. Solothurn und die lokale Bevölkerung sind irritiert und bleiben den Filmtagen fern.
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Bild 1 von 3. Ein Bild aus den Anfangszeiten: Diskussionsrunde zum Start der Filmtage 1969. Mit dabei ist der erste Leiter der Filmtage, Stephan Portmann (3. v. l.). Rund 50 neue Schweizer Filme werden gezeigt. Bildquelle: Keystone/Str.
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Bild 2 von 3. Besucherinnen und Besucher der Solothurner Filmtage 1973 verlassen nach der Vorführung das Kino «Scala». Wegen des wachsenden Publikums werden die 70 Filme parallel in zwei Kinos gezeigt. Bildquelle: Keystone/Str.
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Bild 3 von 3. Volles Haus im Restaurant Kreuz, an den 50. Solothurner Filmtagen 2015. Gesprächsrunden und Podiumsveranstaltungen sind nach wie vor ebenso wichtig an den Filmtagen, wie die Filme selbst. Bildquelle: Keystone/Alessandro della Valle.
«In Solothurn kannte man diese Welt noch nicht. Die Hippies mit den langen Haaren und den schwarzen langen Ledermänteln, die durchrauchten und durchzechten Nächte, in denen man diskutiert hat. Es war nicht das bürgerliche Leben, wie man es hier in der Stadt gekannt hat», sagt der frühere Filmtage-Direktor Ivo Kummer gegenüber SRF.
Nackte Haut, Sex und Performance
Auch inhaltlich bieten die Filmtage Neues: «Es wurden Filme gezeigt, die nicht in den Kinos liefen, die zum Teil künstlerisch wertvoller, aber vielleicht auch nicht so leicht verständlich waren», erinnert sich Helmut Zipperlen, Mitorganisator der ersten Filmtage.
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Bild 1 von 2. Noch gibt es den Begriff «Performance» in der Kunstsprache nicht: Fredi M. Murer porträtiert in seinem Experimentalfilm «Chicorée» (1966) den Künstler Urban Gwerder. Höhepunkt ist die «Action Painting»-Szene. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 2 von 2. Der Kurzfilm «Vita parcoeur» (1972) von Rolf Lyssy ist ein satirischer Beitrag über Sexualität und Volksgesundheit. In der Schlussszene sieht man ein fast nacktes Joggerpaar beim Sex. Bildquelle: Screenshot SRF.
Gezeigt wird zum Beispiel der Experimentalfilm «Chicorée» von Fredi M. Murer. Darin wird der Künstler Urban Gwerder porträtiert, unter anderem mit einer «Action Painting»-Szene. Später schockiert «Vita parcoeur» von Rolf Lyssy mit nackter Haut und Sex.
Über die Jahre nähern sich die Filmtage und die Stadt Solothurn an. Allerdings nur langsam, zeigt eine Anekdote, an die sich Ivo Kummer erinnert. Noch in den Achtzigerjahren, habe er Mühe gehabt, eine Wohnung zu finden: «Man hat gesagt, solche Leute haben in dem Haus einfach nichts verloren», lacht Kummer.
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Bild 1 von 2. Ivo Kummer war von 1989 bis 2011 Direktor der Solothurner Filmtage. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 2 von 2. Helmut Zipperlen war Mitorganisator der ersten Filmtage 1965 und hat später als Filmkritiker über das Festival berichtet. Bildquelle: Screenshot SRF.
Viel geändert habe sich mit dem Sponsoring, ist Ivo Kummer überzeugt: «Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Schritt gewesen. Unser erster Sponsor, die Solothurner Kantonalbank, hat Kundenanlässe durchgeführt. Dann hat man langsam die Angst verloren und ich glaube, das hat dann auch zur Entspannung und zu grossen Akzeptanz geführt.»
Die Filmtage sind ein Leuchtturm der Stadt Solothurn.
Auch Helmut Zipperlen hat die Annäherung zwischen den Filmtagen und der Stadt beobachtet. Er sieht auch inhaltliche Gründe: «Man hat gesehen, dass das etwas ist, ein Leuchtturm der Stadt Solothurn.»
Heute gehören Solothurn und seine Filmtage eng zusammen: Ein Grossteil des Publikums kommt aus der Region, Hunderte Freiwillige helfen jedes Jahr mit. Zudem profitieren Gastronomie, Tourismus und die Eventbranche von dem Festival.
Ein Solothurn ohne Filmtage ist unvorstellbar – auch wenn es keine Liebe auf den ersten Blick war.