Der Abriss beginnt am Vordach der Kirche. Die Zangen des Baggers greifen die Dachrinne und reissen einen Teil des Daches mit. Stück für Stück landet die Hägendörfer Christuskirche in der Schuttmulde. Für Bauführer Patrick Kellerhals ist es die erste Kirche, die er abbricht. «Wir gehen sicher bedachter an die Arbeit. Aber am Schluss kommen schwere Baumaschinen zum Einsatz.»
So selten kommt es allerdings gar nicht vor, dass Kirchen rückgebaut werden. In den letzten 25 Jahren wurden in der Schweiz elf Gebäude der Landeskirchen abgerissen, fünf weitere Abrisse sind geplant. Das zeigt die Statistik der Universität Bern.
In der Schweiz gibt es laut Kirchenbauexperte Johannes Stückelberger von der Uni Bern 6000 bis 10'000 kirchliche Gebäude. Auch wenn Abrisse in den letzten Jahren zugenommen hätten, seien diese immer noch die Ausnahme. Kirchen stünden oft unter Schutz. Von den 16 ausgeführten oder geplanten Abrissen sei kein Gebäude älter als 100 Jahre gewesen.
Geld verdienen anstatt Predigen
Abgerissen werden Kirchen, wenn die Bausubstanz schlecht und eine Sanierung nicht möglich oder zu teuer ist – wie im Fall von Hägendorf. Vor rund 20 Jahren senkte sich dort der Baugrund, in den Wänden taten sich grosse Risse auf. «Ein anderer Grund ist, dass man gerade in einer Stadt an bester Lage eine Kirche auf einer Parzelle hat, die man interessanter nutzen – und damit Geld verdienen», so Kirchenbauexperte Stückelberger.
Oft werde ein neues Gebäude auf dem Areal einer Kirche weiter zum Teil kirchlich genutzt. Etwa die grosse Überbauung Christophorus in Basel, mit Altersheim, Sozialwohnungen und Kindergärten – und einer kleinen Kapelle. Mehrere Beispiele gibt es laut dem Experten in Genf.
Stückelbergers Datenbank umfasst rund 250 Einträge mit kirchlichen Gebäuden, die abgerissen oder umgenutzt wurden. Viele davon brauche die Kirche nun mit anderen zusammen, zum Beispiel mit Kinderhorten, Schulen oder Vereinen.
Bis zum Abriss oder zur Umnutzung geht es oft lange. In Turgi AG etwa wird seit 15 Jahren geplant. Passiert ist noch nichts. Häufig seien es «kirchenferne Leute», die sich für den Erhalt der Kirchen einsetzen, so der Experte. Für viele sei es beruhigend, eine Kirche in der Nähe zu haben – auch wenn man sie nicht selber nutze.
Sanieren zu teuer
Auch der Abriss der Christuskirche in Hägendorf ist schon lange geplant. Seit einiger Zeit konnte sie nicht mehr für Gottesdienste verwendet werden. Zu gefährlich war es im einsturzgefährdeten Gebäude. 2018 fand die letzte Messe in der kleinen Kirche statt. Seitdem gehen die Hägendörfer Christkatholikinnen und -katholiken in die Stadtkirche Olten.
Beim Abschiedsgottesdienst neben der Kirche im Frühling zeigten sich die Teilnehmende traurig. Sie haben viele Erinnerungen an Anlässe in der Kirche. Schmerzhaft sei es für jene Leute, welche in der Kirche Hochzeiten oder Taufen gefeiert hätte, meint Pfarrer Daniel Konrad. Auch für ihn war die Aussegnung der Kirche ein spezieller Moment.
Viele Kirchenmitglieder stehen aber hinter dem Abriss-Entscheid. Eine Reparatur wäre viel zu teuer, ist die verbreitete Meinung. Durch die Risse in den Wänden habe man aus der Kirche hinaus schauen können. Den Abriss und den Verkauf des Areals hatte die Kirchgemeindeversammlung denn auch einstimmig beschlossen.
Anstelle der Kirche baut eine Firma nun Wohnungen. Und ein kleiner Teil der Christuskirche soll erhalten bleiben: die Glocke.