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Artenvielfalt vs. Energie? Energieproduktion und Biodiversität: Es geht auch beides

Windrad und Fotovoltaik-Anlage müssen die Artenvielfalt nicht bedrohen. Wichtig ist eine seriöse Prüfung der Projekte.

Jede neue Anlage zur Stromproduktion – auch Windräder und Fotovoltaik-Anlagen auf Freiflächen – beeinträchtigen die Biodiversität, die in der Schweiz ohnehin schon in einem besorgniserregenden Zustand ist.

Ein Whitepaper von Forscherinnen und Forschern aus unterschiedlichen Fachrichtungen der ETH Zürich und weiteren Institutionen hält jetzt fest, wo es trotzdem richtig ist, die klimafreundliche Stromproduktion auszubauen.

Schweiz sollte rasch vorwärtsmachen

Es muss eigentlich schnell gehen: Die Schweiz hinkt bei ihren Zielen in der Klimapolitik hinterher und auch um die Artenvielfalt steht es nicht gut. Das hält das Diskussionspapier einleitend fest.

Beides gleichzeitig zu lösen, ist schwierig. Die Schweiz muss, um die eigenen Klimaziele zu erreichen, Fotovoltaik-Anlagen, Windräder, und Wasserkraftwerke bauen. Solche Anlagen brauchen Platz, der Tieren und Pflanzen nicht mehr als Lebensraum zur Verfügung steht.

Windkraftanlagen auf grünem Feld unter blauem Himmel.
Legende: Jede einzelne Anlage soll vor dem Bau sorgfältig auf ihre positiven und negativen Auswirkungen geprüft werden, sind sich die meisten Forscherinnen und Forscher einig. Keystone

Untersuchungen hätten erfreulicherweise gezeigt, dass neue Windräder oder Fotovoltaik-Anlagen dort auf den geringsten Widerstand stossen, wo sie die Biodiversität am geringsten beeinträchtigen, erklärt Adrienne Grêt-Regamey, Professorin für Landschaftsplanung an der ETH Zürich.

Konkret sehe man, dass die Flächen mit den geringsten Auswirkungen auf Mensch und Umwelt dort liegen, wo auch am meisten Energie produziert werden könnte. Und: «Es sind auch relativ kleine Flächen.»

Klimawandel bedroht Artenvielfalt stärker

Anders gesagt: Neue Anlagen sollten dort gebaut werden, wo die Landschaft bereits überbaut ist.

Die Eingriffe in die Natur sollten nicht nur möglichst gering gehalten werden, sie sollten auch so geschehen, dass die Gebiete, in denen die Biodiversität geschützt bleibt, untereinander verbunden sind. So können Tier- und Pflanzenarten wandern, wenn zum Beispiel die Temperaturen steigen.

Der Anstieg der Durchschnittstemperaturen infolge des Klimawandels sei im Übrigen der wichtigste Treiber des Biodiversitätsverlusts, schreiben die Zürcher Forscherinnen und Forscher. Er sei viel wichtiger als die Eingriffe durch den Bau von neuen Stromproduktionsanlagen.

Umfassende Studie fehlt bislang

Das allerdings sei keineswegs so eindeutig, sagt Antoine Guisan, Professor für Ökologie an der Universität Lausanne. Er war nicht am vorliegenden Diskussionspapier beteiligt. Guisan sagt: Der Einfluss der Energieproduktion auf die Biodiversität beschränke sich nicht allein auf den Bau der Anlagen und den Konsum des Stroms.

«Man muss die Auswirkungen vieler weiterer Faktoren anschauen: Vielleicht braucht es neue Strassen für den Transport der Windkraftanlagen, es braucht Transformatoren oder neue Starkstromleitungen.» Alle diese Faktoren umfassend miteinbezogen, habe noch niemand in einer Studie untersucht, so Guisan.

Sorgfältige Abwägung im Einzelfall

Trotz unterschiedlicher Einschätzungen zu den Auswirkungen: Im Grundsatz ist sich die grosse Mehrheit der Klima- und Biodiversitätsforscherinnen und -forscher einig, dass Energiewende und Biodiversitätsschutz gleichzeitig angegangen werden müssen und können.

Sie betonen aber, es sei wichtig, für jede neue Anlage sorgfältig negative und positive Auswirkungen auf wissenschaftlichen Grundlagen abzuwägen – trotz der Dringlichkeit.

Rendez-vous, 24.5.2024, 12:30 Uhr

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