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Wo die Politik den Energieverbrauch fördert, statt reduziert
Aus Echo der Zeit vom 05.03.2024. Bild: KEYSTONE/Gaetan Bally
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Neue Studie Das sind die grössten Fehlanreize der Schweizer Energiepolitik

In der Schweiz gibt es eine ganze Reihe von Politikmassnahmen, die nicht das Sparen, sondern die Verschwendung von Energie fördern. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie. Welches sind die wichtigsten Fehlanreize, wie sind sie entstanden und wie stehen die Chancen, dass sie abgeschafft werden?  

1. Pauschale Grundgebühren bei Stromtarifen

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Das ist der Fehlanreiz:

Viele Stromtarife bestehen zu Teilen aus einer pauschalen Grundgebühr. Durch dies Pauschale sinkt der effektiv pro Kilowattstunde gezahlte Preis, je höher der Energieverbrauch ist. Mit der Abschaffung der Grundgebühr könnten rund 100 GWh Strom (=vergleichsweise wenig) pro Jahr gespart werden.

Das sagt die Politik:

Die Grüne Nationalrätin Aline Trede betont, dass der sogenannte Mantelerlass die Energieversorger zu mehr Effizienz verpflichte. Dieser kommt im Juni 2024 zur Abstimmung.

2. Statische Stromtarife

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Das ist der Fehlanreiz:

Die heutigen Stromtarife bilden nicht ab, dass Elektrizität unterschiedlichen Erzeugungskosten und Transportkosten unterliegt. Statische Stromtarife bieten damit keine Anreize, dass Verbraucher dann Strom verbrauchen, wenn er günstig und in genügenden Mengen vorhanden ist. Mit flexibleren Tarifen könnten kurzfristig 35 bis 100 GWh gespart werden, langfristig 500 bis 700 GWh

Das sagt die Politik:

In diesem Bereich gehe einiges, meint FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher. Technische Innovationen wie die Einführung von intelligenten Stromzählern würden künftig zu versursachergerechteren Tarifen führen, ist sie überzeugt.

3. Fehlende CO2-Abgabe auf Treibstoffen im Strassenverkehr

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Das ist der Fehlanreiz

Während auf Brennstoffen zum Heizen eine CO2-Abgabe erhoben wird, fehlt eine solche im Verkehr.Der durch die Emissionen verursachte Schaden ist im Treibstoffpreis nicht berücksichtigt. Autofahren ist entsprechend günstig, was aus Sicht der Energieeffizienz einen Fehlanreiz darstellt. Mit der Einführung einer CO2-Abgabe, die bis ins Jahr 2030 in Schritten auf 760 CHF/t CO2 angehoben und vollständig an die Bevölkerung rückverteilt würde (wie heute die Abgabe auf Brennstoffe) könnte der Energieverbrauch um rund 5100 GWh pro Jahr reduziert werden (bis 2030).

Das sagt die Politik:

Für SVP-Nationalrat Christian Imark hat die persönliche Freiheit und kostengünstige Mobilität Priorität vor der Energieeffizienz. Eine CO2-Abgabe auf Treibstoffen hat in der Politik bisher keine Chance gehabt. Sowohl die Grüne Aline Trede als auch die freisinnige Susanne Vincenz-Stauffacher sprechen sich heute jedoch für solche Lenkungsabgaben aus.

4. Befreiung leichter Nutzfahrzeuge von der LSVA

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Das ist der Fehlanreiz

Nutzfahrzeuge unter 3.5 Tonnen Gewicht sind von der LSVA ausgenommen. Die Umweltkosten werden nicht internalisiert. Transportunternehmen haben keinen Anreiz auf grössere bzw. modernere und entsprechend effizientere Nutzfahrzeuge zu setzen. Umfang: 15 GWh (kurzfristig) , 140 GWh (langfristig)

Das sagt die Politik:

Politische Akzeptanz zum jetzigen Zeitpunkt fraglich, da ein ähnlich ausgerichteter Vorstoss 2021 zwar vom Ständerat angenommen, aber vom Nationalrat abgelehnt wurde.

5. Zu wenig ambitionierte Zielvereinbarungen bei Unternehmen

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Das ist der Fehlanreiz:

Unternehmen, die von der CO2-Abgabe oder vom Netzzuschlag befreit werden möchten, können mit dem Bund eine Zielvereinbarung abschliessen, in der sie eine Erhöhung der Energieeffizienz bzw. Reduktion von CO2-Emissionen festlegen. Die Zielvereinbarungen sind aber zu schwach, um das langfristige Netto-Null-Ziel zu erreichen. Mit ambitionierteren Vereinbarungen könnten 140 GWh pro Jahr gespart werden.

Das sagt die Politik:

Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat die Zielvereinbarungen im Januar 2024 als zu schwach kritisiert. Der Bund zeigt sich offen für Verschärfungen. Die bürgerliche Parlamentsmehrheit ist skeptisch.

6. Abzug Fahrkosten von der Einkommenssteuer (Pendlerabzug)

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Das ist der Fehlanreiz:

Privatpersonen können Fahrkosten zum Arbeitsplatz vom steuerbaren Einkommen abziehen. Deshalb nehmen viele grössere Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort in Kauf. Die mögliche Einsparung bei Abschaffung beträgt rund 1000 GWh.

Das sagt die Politik:

Aus Sicht der Grünen Aline Trede ist der Pendlerabzug überhaupt nicht gerechtfertigt. Ganz anders sieht das SVP-Nationalrat Christian Imark, der die individuelle Mobilität höher gewichtet als die Energieeffizienz. In den letzten Jahren wurde der Pendlerabzug in verschiedenen Kantonen reduziert.

7. Steuerbefreiter internationaler Flugverkehr

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Das ist der Fehlanreiz

Internationale Flüge sind sowohl von der Mineralölsteuer als auch von der Mehrwertsteuer befreit, was zu tieferen Preisen führt und die Nachfrage erhöht. Das Einsparpotential liegt zwischen 2600 und 2950 GWh pro Jahr.

Das sagt die Politik:

Aus Sicht der Grünen Aline Trede müsste dieser Fehlanreize abgeschafft werden, um die Nachfrage nach Billigflügen zu reduzieren. Die Steuerbefreiung müsste international koordiniert abgeschafft werden. Einfacher wäre die Einführung einer Flugticketabgabe. Eine solche befürwortet eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung gemäss einer repräsentativen Umfrage vom Juni 2022. In der aktuellen Vorlage für ein neues CO2-Gesetz ist eine Flugticketabgabe aber nicht vorgesehen.

Fazit:

Die Studie im Auftrag der Schweizerischen Energiestiftung, die sich für eine ökologische Energieversorgung starkmacht, identifiziert insgesamt 112 Fehlanreize in der Energiepolitik. Würden die sieben wichtigsten Fehlanreize korrigiert, könnte die Schweiz laut der Studie knapp 10 Terrawattstunden Energie oder rund fünf Prozent des Gesamtenergieverbrauchs sparen.

Die grössten Fehlanreize, diejenigen im Verkehr, dürften am schwierigsten zu beseitigen sein. Etwas anders sieht es beim Stromverbrauch aus. Mit dem sogenannten Mantelerlass will der Bund die Stromversorger zu Effizienzmassnahmen verpflichten. Die entsprechende Vorlage kommt im Juni an die Urne – es wird spannend sein zu sehen, wie hoch das Stimmvolk die Energieeffizienz gewichtet.

Echo der Zeit, 05.03.2024, 18 Uhr

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