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Ja zur Anti-Diskriminierung Das Strafrecht ist immer nur das letzte Mittel

Die Anti-Rassismus-Strafnorm hat bereits vor 25 Jahren der Gesellschaft eine «rote Linie» gezogen, wo die Meinungsfreiheit endet und wo Hass oder Diskriminierung beginnt.

Dies betonte die Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus Martine Brunschwig-Graf im Abstimmungskampf zum Anti-Diskriminierungs-Gesetz immer wieder. Diese «rote Linie» gilt nun auch für Hass und Diskriminierung gegen Homosexuelle: Wer Schwule oder Lesben als Gruppe diskriminiert, muss mit einer Busse rechnen oder ins Gefängnis

Juristen zeigen Problematik auf

Dieses Zeichen der Gesellschaft sei wichtig – gerade für junge Gays, die oft unter Anfeindungen und gar tätlichen Angriffen litten, sagen die Befürworter. In der Kampagne erfuhr man, dass die Suizidrate unter jungen Schwulen fünfmal höher ist als unter jungen Heteros.

Trotzdem hat die Ausweitung der Anti-Rassismus-Strafnorm auf Fälle der Diskriminierung wegen der «sexuellen Orientierung» auch etwas Problematisches: Nicht nur die Gegner, sondern auch Juristen wiesen darauf hin.

Grundsätzliche Bedenken

Wenn man heute Schwule und Lesben (warum aber nicht Transsexuelle?) speziell im Strafgesetzbuch schützt, müsste man dann nicht künftig auch Handicapierte, Dicke, Kleinwüchsige oder Frauen speziell schützen? Auch diese Gruppen erleiden täglich Diskriminierung und Hass.

Der Freiburger Strafrechtsprofessor Alexander Niggli, dessen Kommentar zu Art. 261bis StGB als Standardwerk zur Anti-Rassismus-Strafnorm gilt, hat grundsätzliche Bedenken.

Niggli stören drei Sachen:

  • Fast alle Delikte seien bereits durch die aktuelle Gesetzgebung abgedeckt (Nötigung, Drohung, Ehrverletzung, etc.).
  • Das neue Gesetz wecke Begehrlichkeiten für weitere Gruppen, Sonderschutz per Gesetz zu erhalten.
  • Das Konzept der «sexuellen Orientierung» sei schwer zu definieren.

Durch die Ausweitung der Anti-Rassismus-Strafnorm franst für Niggli das Strafrecht aus. Dieses müsse aber «so klar und so eng wie möglich verfasst sein», sagte er im Gespräch mit der «Sonntagszeitung». «Oder kennen Sie etwa einen Bereich im Leben, der nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun hat?»

Ein Zeichen gegen Diskriminierung

Ausgrenzung, Hass und Diskriminierung gegen Schwule und Lesben haben in der heutigen Zeit keinen Platz mehr. Das deutliche Ja ist ein Zeichen von einer offenen, progressiven Gesellschaft. Dem Zeitgeist folgend will die Gesellschaft derzeit offenbar Zeichen setzen für das Klima, für die Umwelt und heute gegen Schwulenhass.

Bei allem Verständnis für das Anliegen der Homosexuellen bleibt die Frage: Ist das Strafrecht das richtige Instrument für solche Zeichen? Müssten wir nicht eher bei der «guten Kinderstube» und der Erziehung der Jungen ansetzen, um gegen Homophobie anzukämpfen? Das Strafrecht ist immer nur das letzte Mittel.

Christoph Nufer

Leiter Bundeshausredaktion, SRF

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Christoph Nufer ist seit 2016 Leiter der Bundeshausredaktion des Schweizer Fernsehens SRF. Davor war er als EU-Korrespondent in Brüssel stationiert.

Abstimmungsstudio, 09.02.2020, 12:00 Uhr

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