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Änderung im Zivilgesetzbuch Bundesrat toleriert keine Gewalt in der Erziehung

  • Der Bundesrat will den Grundsatz der gewaltfreien Erziehung ausdrücklich im Zivilgesetzbuch verankern.
  • Er hat die Vernehmlassung zu einer entsprechenden Änderung eröffnet, wie der Bundesrat mitteilte.
  • Das betrifft körperliche Gewalt wie eine Ohrfeige, aber auch verbale und psychische Gewalt.

Bereits heute ist Gewalt gegenüber Kindern in der Erziehung verboten – das Strafrecht schützt die Kinder. Die Eltern haben sich auch in Fragen der Erziehung am Kindeswohl zu orientieren.

Kürzlich ist der Kindesschutz gesetzlich gestärkt worden, indem die Meldepflichten erweitert wurden. Das heisst, wenn Lehrpersonen oder Angestellte von Kitas oder Tagesschulen den Verdacht hegen, dass ein Kind geschlagen, vernachlässigt oder anderweitig misshandelt wird, müssen sie das den Behörden melden.

Forderung des Parlaments

Aus diesen Gründen hielt es der Bundesrat bisher nicht für nötig, die gewaltfreie Erziehung auch explizit im Zivilgesetzbuch zu verankern. Doch das Parlament kam jüngst zu einem anderen Schluss und erteilte somit dem Bundesrat diesen Auftrag. Die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hat die Eckwerte der Neuerung anlässlich ihrer ersten 100 Tage im Amt umrissen.

Die neue Bestimmung soll gemäss Mitteilung ausdrücklich festhalten, dass Eltern «das Kind ohne Anwendung von körperlichen Bestrafungen und anderen Formen entwürdigender Gewalt» erziehen müssen. «Es geht um eine Regelung im Zivilgesetzbuch, und deswegen geht es weder um Kontrolle der elterlichen Erziehung noch um Sanktionierung bei Verstössen», sagt Nicole Hitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Justiz.

Grundsatz mit Signalcharakter

Vielmehr habe der Grundsatz Signalcharakter und wolle so dazu beitragen, dass Kinder künftig keine Gewalt mehr im Elternhaus über sich ergehen lassen müssen. Unter körperliche Bestrafungen fallen sowohl eher leichte als auch schwere körperliche Eingriffe. Wie aus dem erläuternden Bericht zur Vorlage hervorgeht, zählen etwa Ohrfeige, Klaps oder Schütteln zu den leichten, Schläge mit Gegenständen wie Gürteln und Stäben oder Verbrennen und Fusstritte zu den schweren.

Für andere – oft psychische – Gewalt wird die Formulierung «andere Formen entwürdigender Gewalt» verwendet. Dazu zählen beispielsweise Drohung, Beschimpfung, Demütigung, Verachtung, Angsteinflössen, Blossstellen und Abwerten, aber auch Ignorieren, Ausgrenzen oder Isolieren.

Gleichzeitig soll mit dem Vorschlag die Prävention gestärkt werden. Konkret regt der Bundesrat an, dass bestehende Beratungs- und Hilfsangebote für Eltern und Kinder ausgebaut werden und dass so der Zugang leichter fällt.

Dieses Gesetz schafft Klarheit und hat eine grosse Signalwirkung.
Autor: Regula Bernhard Hug Leiterin der Geschäftsstelle von Kinderschutz Schweiz

Die Organisation Kinderschutz Schweiz hat sich seit Jahren für eine solche Verankerung eingesetzt. Entsprechend freut sich Regula Bernhard Hug, Leiterin der Geschäftsstelle. Viele Eltern seien unsicher, was erlaubt oder nicht erlaubt sei. «Dieses Gesetz schafft Klarheit und hat eine grosse Signalwirkung», sagt sie.

Kinderschutz Schweiz begrüsst, dass der Bundesrat auch die Prävention stärken will. «Wir wissen aus Studien, dass die meisten Eltern, die Gewalt in der Erziehung anwenden, das eigentlich nicht wollen», erklärt Bernhard Hug. Oft komme es dazu aus Überforderung oder weil die Eltern unter Druck stünden.

Die Vernehmlassung für die Gesetzesänderung dauert bis zum 23. November 2023. Bis dann können sich Kinderschutz Schweiz und weitere Organisationen sowie Parteien zum Vorschlag äussern.

Bundesrat will minderjährig Verheiratete besser schützen

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Der Bundesrat will Personen besser schützen, die minderjährig verheiratet wurden. Gerichte sollen bis zum 25. Geburtstag der betroffenen Personen die Ehe als ungültig erklären können. Bislang war dies nur bis zur Volljährigkeit mit 18 Jahren möglich. Die bestehenden Regelungen im Zivilgesetzbuch sollen entsprechend geändert werden.

Neben dem Zivilgesetzbuch soll auch das internationale Privatrecht angepasst werden. Der Bundesrat schlägt jedoch nur für zwei besondere Fälle eine neue Regelung vor: Der eine Fall betrifft Ehen, in denen der eine Partner noch nicht 16-jährig ist – solche Ehen sollen generell nicht anerkannt werden.

Im anderen Fall geht es um Heiraten mit Minderjährigen, wenn einer der beiden zum Zeitpunkt des Eheschlusses den Wohnsitz in der Schweiz hatte. Damit sollen laut Bundesrat sogenannte Sommerferienheiraten verhindert werden. In diesen Fällen werden Minderjährige, die in der Schweiz wohnen, während ihrer Ferien im Ausland verheiratet. (sda/zero)

Rendez-vous, 23.08.2023, 12:30 Uhr

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