Jahrelang wurde Pratteln bürgerlich regiert. Doch seit den letzten Wahlen ist das vorbei. Sowohl der Gemeinde- als auch der Einwohnerrat haben jetzt eine rot-grüne Mehrheit. Das hat viel mit der Entwicklung von Pratteln zu tun, es widerspiegelt aber auch einen nationalen Trend, wie Politgeograf Michael Hermann erklärt: «Wir beobachten das vor allem in der Deutschschweiz, insbesondere rund um die grossen Städte.»
Das war nicht immer so. In den Nuller- und Zehnerjahren tickte die Agglomeration konservativ. 2014 zum Beispiel sagte die Agglo Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP. «Das war eine Art Abwehrreaktion», sagt Hermann, eine Reaktion auf die zunehmende Verstädterung der Agglomeration.
In den letzten Jahren aber habe der Trend gedreht. Vor allem in stadtnahen Agglomerationsgemeinden der Deutschschweiz würden jetzt die Mehrheiten kippen. Zum Beispiel in Muri bei Bern oder eben in Pratteln bei Basel.
Wir beobachten das vor allem in der Deutschschweiz, insbesondere rund um die grossen Städte.
Grund dafür sei unter anderem, dass die Menschen vermehrt auch urbane Bedürfnisse hätten. Veränderungen, die sich auch in Pratteln zeigen.
Niedrige Steuern seien zum Beispiel für junge Familien weniger wichtig als ein attraktiver öffentlicher Raum, mehr Ökologie oder Investitionen in Tagesstrukturen. Anliegen, die stärker von Rot-grün vertreten werden als von den bürgerlichen Parteien.
Drei Tower in Downtown Pratteln
Doch in Pratteln gibt es noch einen weiteren Grund für den politischen Machtwechsel. Und dieser hat mit der Entwicklung der Gemeinde zu tun in den letzten Jahren. Die Gemeinde verändert sich rasant. Sichtbare Zeugen der Veränderung und des Wachstums sind mehrere Hochhäuser. Sie heissen Ceres Tower, Aquila Tower oder Helvetia Tower.
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Gemeindepräsident Stephan Burgunder (FDP) ist stolz darauf und sagt, Pratteln sei auf ein gewisses Wachstum angewiesen, um die Finanzen in den Griff zu kriegen: «Wir haben drei Möglichkeiten: Wir erhöhen die Steuern, wir sparen oder wir wachsen.»
Allerdings sind nicht alle im Dorf mit dem Wachstum einverstanden. In Pratteln macht sich eine zunehmende Wachstumsskepsis bemerkbar. An vorderster Front ist dabei die ehemalige parteilose Gemeinderätin Denise Stöckli. Mit der Aktionsgruppe «Aapacke» hat sie eben erst mitgeholfen, die Verlängerung der Tramlinie nach Salina Raurica zu bodigen.
In diesem Entwicklungsgebiet am Rand von Pratteln plant die Gemeinde ein neues Quartier für 2500 Menschen. Für die Kritiker um Denise Stöckli ist das zu viel Wachstum am falschen Ort.
Sie hofft, dass das Gebiet nach dem Nein zum Tram grün bleibt und, dass sich die Gemeinde auf andere Werte besinnt: «Pratteln ist kein Bauerndorf mehr, das ist richtig so. Aber auch Wachstum hat ein Ende. Man sieht das auch in der Natur. Kein Baum wächst in den Himmel.»
Denise Stöckli ist nicht allein mit ihrer Meinung. Wer sich im Dorf umhört, trifft auf viele Menschen, denen es zu schnell geht mit der Entwicklung von Pratteln. Denn neben Salina Raurica gibt es gleich mehrere ehemalige Industrieareale, welche in den nächsten Jahren umgenutzt werden sollen. Gemeindepräsident Stephan Burgunder hört diese kritischen Stimmen auch. Er verspricht darum, diese Stimmen ernst zu nehmen und den Leuten noch besser zu erklären, was wann geplant ist.