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Aktion mehrerer Gemeinden Gratis-Porto bei Briefwahl soll Stimmbeteiligung erhöhen

Nicht überall in der Schweiz ist das Porto für das Stimmcouvert gratis. Dabei könnte das die Wahlbeteiligung steigern.

Normalerweise ist das Stimmlokal der Ort der gelebten direkten Demokratie – mit dem Gang zur Urne, dem Schwatz mit der Mitbürgerin und dem gemeinsamen Mutmassen über den Ausgang der Wahl oder Abstimmung.

Nicht so in Pandemie-Zeiten: Da verkommt das Stimmlokal zum potenziellen Ansteckungsort. Umso wichtiger wird die Briefwahl. Doch diese ist längst nicht überall in der Schweiz kostenlos. Manche Gemeinden wollen das nun ändern.

Anreiz für Bürgerpflichten?

So übernimmt die Gemeinde Prangins im Kanton Waadt nun erstmals die Porto-Kosten für die Briefwahl. Hier finden am Sonntag – nebst den Abstimmungen auf nationaler Ebene – auch Kommunalwahlen statt. Die Wahlbeteiligung lag zuletzt unter 40 Prozent.

Gemeindepräsident Alain Gillièron fürchtet, dass Corona die Menschen zusätzlich vom Urnengang abhalten könnte. «Es ist eine sehr schwierige Zeit für die Bevölkerung. Darum haben wir uns gefragt, was für einen Anreiz wir schaffen könnten, damit die Menschen ihren Bürgerpflichten nachkommen.»

Gratis-Porto steigert Stimmbeteiligung

Das entspricht einem Trend, wie Mark Schelker, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Freiburg, beobachtet: Mehrere Gemeinden hätten sich in der Corona-Pandemie fürs Gratis-Porto entschieden, und sei es nur testweise.

Das könnte sich lohnen: In einer Studie hat Schelker errechnet, dass sich die Stimmbeteiligung damit um 1.8 Prozentpunkte steigern lässt. Anhand der Wahlbeteiligung hochgerechnet seien es gar 4 Prozent. «Das ist relativ viel», so Schelker, «zudem können bei knappen Entscheidungen selbst kleine Unterschiede den Ausschlag geben.»

Dass 85 Rappen Porto-Kosten einen solchen Effekt haben können, erklärt der Wissenschafter mit einer simplen Hürde: Nur noch wenige Menschen hätten heute stets eine Briefmarke zur Hand. Und so bleibe das Stimmcouvert eben liegen.

Keine kantonal einheitliche Regelung

Schweizweit ist die briefliche Stimmabgabe sehr unterschiedlich geregelt; Bestrebungen für ein Gratis-Porto auf nationaler Ebene scheiterten bisher.

In einigen Kantonen wie etwa Genf, Zürich und Aargau ist sie grundsätzlich kostenlos, während andere Kantone die Regelung explizit der Gemeinde überlassen – so etwa Bern, Freiburg oder auch Thurgau. In Kantonen wie dem Wallis, Graubünden oder der Waadt ist das Gratis-Porto eigentlich nicht vorgesehen, Gemeinden wie Prilly können aber dennoch entscheiden, das Porto zu übernehmen. Sollte sich das bewähren, wünscht man sich in Prilly aber eine kantonal einheitliche Regelung.

Frau wirft Stimmcouvert in einen Briefkasten.
Legende: In der Schweiz darf jeder Kanton frei entscheiden, ob seine Stimm- und Wahlcouverts vorfrankiert sind oder nicht. Keystone

Konkurrenz mit anderen Budgetposten

In der Gemeinde Muri bei Bern hat man sich nach einem dreijährigen Pilotversuch gegen das Gratis-Porto für die Briefwahl entschieden. Die Stimmbeteiligung der Gemeinde liege ohnehin meist über dem kantonalen und nationalen Mittel. Und sie habe sich nicht markant erhöht.

«Vielmehr gab es eine Verschiebung», sagt Gemeindeschreiberin Karin Pulfer. «Bürger, die zuvor das Couvert mit dem Fahrrad zur Gemeinde gebracht haben, warfen es neu bei der Post in den Briefkasten.» Auschlaggebend seien aber Kürzungen im Gemeindebudget gewesen – da sei das Gratis-Porto schlicht weniger wichtig gewesen als andere Budgetposten.

Tagesschau, 06.03.2021, 19.30 Uhr

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