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Trotz Pandemie: Der Tod bleibt ein Tabuthema
Aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 01.11.2021. Bild: Keystone
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Allerheiligen in der Pandemie Corona macht den Tod präsenter – ein Tabu bleibt er trotzdem

Am 1. November gedenken katholische Gläubige ihrer Toten. Wie wirkt sich Corona auf das Nachdenken über das Sterben aus?

Andachtsfeiern in den Kirchen sind dieses Jahr am 1. November wieder möglich, Gräberbesuche ebenfalls – ganz anders als vor einem Jahr, als die Corona-Pandemie die Feiern zu Allerheiligen verunmöglichte. Die Kirchen und Friedhöfe in den katholischen Landesteilen blieben damals nahezu leer. Personenbeschränkungen und Versammlungsverbote galten auch für Gottesdienste und auf Friedhöfen.

Eine Statue auf einem Friedhof, dahinter Menschen, die ein Grab besuchen.
Legende: Vor einem Jahr galt ein Versammlungsverbot, auch auf Friedhöfen. Dieses Jahr sind Grabbesuche an Allerheiligen wieder ohne Einschränkung möglich. Keystone

Doch auch wenn gläubige Katholikinnen und Katholiken ihren hohen Feiertag dieses Jahr wieder begehen können: Die Pandemie legt auch diesmal ihren Schatten darüber. Viele Familien haben Verstorbene zu beklagen, die dem Coronavirus erlegen sind.

Interesse an Kursen zu Sterbebegleitung wächst

Die Pandemie habe das Sterben und den Tod wieder stärker ins Zentrum unserer Gesellschaft gerückt, die den Tod sonst lieber verdränge, sagt Thomas Feldmann. Er leitet die Fachstelle «Begleitung in der letzten Lebensphase» der Caritas Luzern, die Beratung und Kurse rund um Sterbebegleitung anbietet. Und er stellt fest: «Seitdem Corona ein so grosses Thema ist, interessieren sich mehr Menschen für die Begleitung in der letzten Lebensphase, gerade auch Männer.»

Gerade auch Männer interessieren sich vermehrt für die Begleitung in der letzten Lebensphase.
Autor: Thomas Feldmann Caritas Luzern

Ihre Motivation sei unterschiedlich, sagt Feldmann. Manche wollten freiwillig eine Aufgabe in der Sterbebegleitung übernehmen, andere nähmen an einem Kurs teil, um sich persönlich vertieft mit dem Sterben auseinanderzusetzen. «Es gibt Leute, teilweise auch aus der Pflege, die sagen: Ich habe im Alltag zu wenig Zeit, um mich mit Themen wie Abschied, Sterben, Tod zu beschäftigen – jetzt will ich mich damit befassen, um herauszufinden, was das für mich heisst.»

Palliativ-Gedanke geriet in den Hintergrund

Auch Karin Klemm stellt fest, dass der Tod präsenter geworden ist in Gedanken und Gesprächen von Menschen. Sie ist Seelsorgerin im Hospiz Zentralschweiz, das vor zwei Jahren im Luzerner Ortsteil Littau eröffnet wurde – eine Institution mit zwölf Patientenbetten für Menschen, die unheilbar krank sind.

Allerdings sagt sie: «Man hat im Zug der Pandemie zwar mehr über den Tod zu reden begonnen, aber häufig geht es dabei darum, wie er vermieden werden kann.»

Die gefalteten Hände einer verstorbenen Person umfassen eine Rose.
Legende: Der Tod als ein Risiko, das möglichst vermieden werden soll: Die Bedürfnisse der Menschen, die im Sterben liegen würden häufig vernachlässigt, sagt die Luzerner Seelsorgerin Karin Klemm. Keystone

Der Gedanke der Palliativpflege spiele dagegen meistens eine untergeordnete Rolle – Fragen rund um die Lebensqualität Sterbender seien, zumindest zu Beginn der Pandemie, kaum behandelt worden. Etwa, dass die meisten von ihnen in der letzten Lebensphase eine Beziehung zu anderen Menschen spüren wollten.

Wenn man über den Tod redet, dann meistens immer noch darüber, wie er vermieden werden kann.
Autor: Karin Klemm Seelsorgerin Hospiz Zentralschweiz

«Es ging um den Schutz des Lebens um jeden Preis, auch wenn das dazu führte, dass diese Menschen einsam sein mussten», sagt Klemm. Mittlerweile habe sich das wieder etwas geändert, sagt die Seelsorgerin. Aber sie hoffe, dass sich der Fokus weiter verschiebe – vom Sterben auf das Leben kurz davor.

In der «Kunst des Sterbens» ist noch Luft nach oben

Das würde zu einer Enttabuisierung des Todes führen, ist auch Thomas Feldmann von der Caritas Luzern überzeugt. Denn: «Ja, das Thema ist seit Corona viel präsenter, aber es ist auch angstbesetzter», sagt er. Das zeige sich daran, dass viele Menschen sich wünschten, möglichst schnell zu sterben, etwa einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen. Früher sei das anders gewesen: «Für die Menschen im Hochmittelalter war es noch eine Horrorvorstellung, dass man sterben könnte, ohne sich darauf vorbereiten zu können», sagt Feldmann.

Von der früher zelebrierten «Ars moriendi», der «Kunst des Sterbens», bei der die Menschen sich mit dem Sterben auseinandersetzten, könnte sich die heutige Gesellschaft eine Scheibe abschneiden, findet Feldmann. Bis jetzt habe sie es – trotz Corona – noch nicht geschafft.

Regionaljournal Zentralschweiz, 01.11.2021, 17:30 Uhr;

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