«Ich stehle eigentlich jedes Mal etwas, wenn ich einkaufen gehe.» Beni* (Name geändert) hat laut eigener Aussage bei Detailhändlern schon Waren im Wert von mehreren tausend Franken gestohlen. Ein schlechtes Gewissen hat er deshalb nicht: «Ich spüre das gesparte Geld Ende Monat auf meinem Konto, für die Grossverteiler fällt dieser Verlust nicht ins Gewicht.»
Beni ist kein Einzelfall: Die polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet 2022 mit 19'781 Diebstählen einen neuen Rekord seit 2009. Eine internationale Studie deutet darauf hin, dass mit der Einführung von Self-Checkout-Kassen die Zahl der Diebstähle markant steigt. Aus der Schweiz gibt es keine vergleichbaren Erhebungen. Die grossen Detailhändler schreiben jedoch auf Anfrage von SRF, die Diebstahlquote sei nicht signifikant gestiegen.
Mittlerweile habe ich sicher Esswaren im Wert von mehreren tausend Franken gestohlen.
Für Beni war die Einführung der Self-Checkout-Kassen dennoch der Auslöser für seine Diebeskarriere: «Damit wurde doch einfach Personal eingespart», glaubt er. Sein «Klauen» sei sozusagen eine Retourkutsche. Die Detailhändler Coop und Migros widersprechen dieser These. Seit der Einführung der Self-Checkout-Kassen würden sie nicht weniger Personal beschäftigen.
Weitere Auskunft zum Thema geben die Detailhändler Migros, Coop und Aldi nicht. Die Migros schreibt lediglich, dass die meisten ihrer Kundinnen und Kunden ehrlich seien. Grundsätzlich werde von einem Versehen ausgegangen, wenn bei einer Stichprobe festgestellt werde, dass ein Artikel nicht gescannt wurde. Bei Wiederholungstäterinnen oder -tätern oder grösseren Diebstählen würden die Fälle aber anders gehandhabt.
Sucht nach dem Stehlen
In die Kategorie Wiederholungstäter fällt Beni. Der 20-Jährige gibt zu, dass das Stehlen für ihn zu einer Art Sucht geworden sei. «Ich kann nicht mehr in einen Laden gehen, ohne die ganze Zeit zu denken, was ich klauen könnte.» Sobald er den Laden verlasse, überkomme ihn ein Gefühlsrausch. Schlechte Gefühle kämen nie auf.
Gegen Diebstähle dieser Art kämpft Kriss Kefes an. Er bildet für die Agentur «Elite Guard» Ladendetektive und -detektivinnen aus.
Alle Menschen seien potenzielle Diebe oder Diebinnen. «Jeder stiehlt, überall, immer», meint Kefes. Er betont, dass es ein Fehler wäre, Personen aufgrund von äusseren Merkmalen zu beurteilen. «Wer auf Äusserlichkeiten schaut, verpasst die richtigen Diebe.»
Neben den Ladendetektiven und -detektivinnen werden die meisten Geschäfte mit Kameras überwacht. «Teilweise kann man in grossen Einkaufszentren so nahe heranzoomen, dass man sogar die Preisschilder lesen kann», erklärt Kefes. Es gäbe auch Kamerasysteme, die direkt erkennen, wenn eine Person etwas entwenden will, «sobald ein Produkt aus dem optischen Sichtfeld verschwindet, gibt es einen Alarm».
Intelligente Überwachung
Bei der Migros wird teils mit intelligenten Überwachungssystemen gearbeitet. Auf Anfrage schreibt der Schweizer Datenschutz jedoch, dass sie nach einer Untersuchung zum Schluss gelangt sei, die Videoüberwachung sei legitim. Die Migros selbst sagt, dass die Kameras nicht für die Gesichtserkennung eingesetzt werden – technisch möglich wäre dies jedoch.
Eine solche Kamera könnte auch das Ende von Benis Klau-Serie sein. Denn aufhören will der Kleinkriminelle erst, wenn er einmal erwischt wird. «Ich denke bei jedem Ladenbesuch daran, dass es heute so weit sein könnte.» Bis dies aber der Fall sein wird, werden seine Einkäufe weiterhin nicht komplett gescannt.