Beim Bund läuft derzeit ein Verfahren, das der Anfang vom Ende der Homöopathie in der Grundversicherung sein könnte. Laut Informationen der «Sonntagszeitung» geht es bei der Untersuchung des Bundes auch um die Frage, ob Homöopathie genauer unter die Lupe genommen werden soll; zum Beispiel, wie wirksam sie wirklich ist.
Aber was genau ist eigentlich Homöopathie – und woher kommt sie? Diese Fragen beantwortet Historikerin Marion Baschin.
SRF News: Die Geschichte der Homöopathie beginnt mit Samuel Hahnemann, einem deutschen Arzt. Am Ende des 18. Jahrhunderts hat er die Homöopathie erfunden. Wie ist das genau passiert?
Marion Baschin: Hahnemann war ausgebildeter Arzt. Er war auf der Suche nach einer anderen therapeutischen Möglichkeit, weil er mit der damals gängigen Lehrmeinung unzufrieden war. Dann ist er auf die Eigenschaften der Chinarinde gestossen, welche dem Wechselfieber [Anmerkung der Redaktion: Malaria] ähnelten. Daraufhin hat er in einem Selbstversuch die Chinarinde eingenommen und vermeint, an sich selber diese Symptome zu entdecken. Das gilt heute als Schlüsselexperiment für die Geschichte der Homöopathie.
Im Kern geht es also darum: Er nimmt diese Rinde ein. Diese löst bei ihm Symptome aus. Seine Idee ist, dass man diese Rinde verwenden könnte, um solche Symptome zu behandeln, wenn jemand krank ist.
Richtig. Die Ideen eines Ähnlichkeitsprinzips, mit einer ähnlichen Substanz Erkrankung zu heilen, gibt es schon seit der Antike. Hahnemann hat diese Idee therapeutisch weiter ausgebaut, entgegen dem herkömmlichen Prinzip, dass man Erkrankungen mit einem gegenteilig wirkenden Stoff bekämpfen könnte. Er hat dabei systematisch versucht, herauszufinden, welche Wirkung Arzneimittel haben.
Hahnemanns Anliegen war es vor allem, herauszufinden, wie klein eine Dosis sein kann.
Hahnemann arbeitete zum Beispiel mit Tollkirschen, Körperteilen von Pottwalen, Stinktieren oder Taranteln. Geht das alles zurück auf ihn?
Teilweise. Zum einen gibt es generell in der Pharmazie drei Reiche – das Tier-, Pflanzen- und das mineralische Reich –, aus dem Wirkstoffe entnommen werden können. Dinge wie Tollkirschen oder Chinin sind gängige Wirkstoffe der damaligen konventionellen Medizin. Hahnemanns Anliegen war es vor allem, herauszufinden, wie klein eine Dosis sein kann, damit sie noch wirkt. Auch aus dem tierischen Bereich werden Elemente eingesetzt, zum Beispiel Cantharidin aus der spanischen Fliege. Manche tierische Stoffe sind aber von Nachfolgern Hahnemanns eingeführt worden.
Sie haben Hahnemanns Versuch der immer kleineren Dosierung angesprochen. Ist das der Grund, weshalb in der Homöopathie heutzutage oft die Wirkstoffe sehr stark verdünnt sind?
Ja. Man muss dazu auch wissen: Die gängige Medizin von Hahnemanns Zeit hat oft mit sehr hoch wirkenden Dosen gearbeitet, und auch mit Arzneimittelgemischen. Das heisst, die Idee von Hahnemann, mit nur einem einzelnen Wirkstoff zu arbeiten und herauszufinden, ob man diese Dosis auch reduzieren könne, ist grundsätzlich gar nicht so abwegig. Es gibt die historische Überlieferung von Hahnemanns Krankenjournalen, wo nachzuverfolgen ist, wie er sich durch weitere Prüfungen und eigenen Behandlungen immer kleineren Dosen genähert hat. Gleichzeitig hat er aber auch an sich selber, bei Prüfern oder auch von Patienten immer wieder zurückgemeldet bekommen, es wirke noch etwas. Und so haben sich diese Ultrahochpotenzen, die heute die Homöopathie so umstritten machen, erst in den letzten 40 Jahren entwickelt.
Das Gespräch führte Nicolas Malzacher.