Von einer «versuchten Erpressung des Schweizer Stimmvolkes» und «vorgetäuschter Arbeitsverweigerung» spricht der Schweizerische Gewerbeverband. Wenn das Management und die strategische Führung der SRG, zu der auch SRF gehört, keine Visionen und Geschäftsideen ohne Gebührengelder entwickeln könnten, sei jeder investierte Steuerfranken zu viel, findet Verbandsdirektor und FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler.
Doch wo sollen die beinahe 1,4 Milliarden Franken für die SRG und 34 private Radio- und Fernsehstationen herkommen, wenn jegliche Gebühren und Subventionen via Initiative am 4. März verboten werden – und zwar schon ab dem 1. Januar des nächsten Jahres? Bigler schlägt als Alternative ein ganzes Bündel von Massnahmen vor. Zum Beispiel, etwas überraschend, halt doch wieder Subventionen, wie er ausführt: «Wir sind der Meinung, dass es durchaus möglich ist, einzelne Sendungen und Sendungsgefässe weiterhin zu unterstützen.»
Text lässt keinen Interpretationsspielraum
Da schüttelt CVP-Ständerat Filippo Lombardi vom überparteilichen Komitee gegen die Initiative zusammen mit 160 anderen Parlamentarierinnen und Parlamentariern aus allen Parteien nur den Kopf. Subventionen seien bei einem Ja zum «No Billag»-Begehren ganz klar verboten: «Ich glaube, dass der Initiativtext so klar, deutlich, und präzis ist, dass es keinen Raum für Interpretation in der Umsetzung geben wird.»
Der Gewerbeverband geht weiter davon aus, dass mindestens die Hälfte der über 1,5 Millionen Hörerinnen und Hörer von Radio SRF 1 bereit wäre, künftig eine Abonnementsgebühr zu bezahlen – ohne dass er dafür Belege liefert.
Der grösste Konkurrent der Radio- und TV-Veranstalter der Schweiz liegt im Ausland.
Der Vorschlag von Direktor Bigler: «Sie können beispielsweise das ‹Echo der Zeit› als Sendung zusammen mit einem Abo für die ‹Tagesschau› kaufen. Oder sie können die Nachrichten im Radio kombinieren mit dem ‹Echo der Zeit›.» Zudem rechnet der Gewerbeverband in seinem Modell mit steigenden Einnahmen aus der TV-Werbung und mit völlig neuen Feldern für Werbeaktivitäten in SRG-Medien.
«Denken Sie ans Radio, wo Sie heute nicht werben dürfen. Denken Sie an den Onlinebereich», so Bigler. Das findet CVP-Ständerat Lombardi, im Kanton Tessin selber privater Medienunternehmer, nun völlig illusorisch: «Man sieht sehr gut, dass die Werbung im Fernsehen in den letzten Jahren bereits zurückgegangen ist.» Gleichzeitig ziehe das Internet immer mehr Werbung an – und dabei liege die grösste Konkurrenz der Radio- und TV-Veranstalter der Schweiz im Ausland.
Keine zahlungswilligen Investoren in Sicht
Kommt hinzu, dass das Komitee des Gewerbeverbands nicht sagen kann, welcher private Unternehmer denn bereit wäre, nach dem 1. Januar die SRG zu übernehmen und die Milliarde Franken aufzubringen, über die die SRG in Form von Anlagevermögen, Eigenkapital und flüssigen Mitteln verfügt. Denn die SRG ist heute ein privatrechtlicher Verein mit dem Zweck, einen klaren Programmauftrag des Bundes zu erfüllen. Dieser würde mit der «No Billag»-Initiative explizit gestrichen, der Verein aufgelöst. Wer investiert eine Milliarde Franken in ein Medienunternehmen bei derart unsicheren Geschäftsaussichten? Hans-Ulrich Bigler bleibt eine klare Antwort schuldig: «Der Markt muss letztlich entscheiden, wie das aussieht.»
Denken Sie ans Radio, wo Sie heute nicht werben dürfen. Denken Sie an den Onlinebereich.
Und auch auf die Frage, was es denn den einzelnen SRG-Kunden kosten würde , wenn – statt eine Empfangsgebühr zu zahlen – Abonnemente für einzelne Sendungsangebote gelöst werden müssten, gibt es von ihm keine Antwort: «Das weiss ich nicht, denn das muss unternehmerisch kalkuliert werden, und es ist letztlich auch die Frage, von welchem Konsumvolumen Sie ausgehen können.»
Glücksfall für ausländische Medienkonzerne
Für Lombardi vom Nein-Komitee ist klar: Die einzigen Gewinner bei einem Ja zur «No Billag»-Initiative wären Medienunternehmen im Ausland: «Die SRG hat bis jetzt die Ausgewogenheit, auch was die Werbeträger in diesem Land betrifft, gesichert. Ohne die SRG – sprechen wir nicht von den kleinen, lokalen und regionalen Sendern – sind die ausländischen Veranstalter im Vorteil, das ist ganz klar.»
Radio und Fernsehen in der Schweiz könnten sich bei einem Ja zur «No Billag»-Vorlage nur noch die Reichen leisten, davon sind die Initiativgegner überzeugt.