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Alters- und Pflegeheime Kurzarbeit in privaten Pflegeheimen – ein ungewohntes Bild

Zu viele leere Betten: Wegen Corona schicken private Pflegeeinrichtungen Personal in Kurzarbeit – mit ungewisser Zukunft.

Es ist paradox, denn Pflegepersonal ist eigentlich immer gesucht. In Pflege- und Altersheimen allerdings immer weniger. Wegen Corona bleiben viele Betten leer. Mehr Bewohnerinnen und Bewohner als gewöhnlich starben im letzten Jahr. Andere zögern den Eintritt ins Heim hinaus – aus Angst, sich dort anzustecken.

Im Zentrum für Pflege und Geriatrie Lindenfeld, in Suhr bei Aarau, hat es Platz für 150 Betten. Aktuell sind nur 115 belegt. Das bedeutet auch weniger Geld in der Kasse.

Auf volle Betten ausgerichtet

210'000 Franken pro Monat fehlen, hat Sven Egger von der Geschäftsleitung im Lindenfeld ausgerechnet: «Unser Stellenplan ist auf die volle Bettenbelegung ausgerichtet. Das Personal ist da und erhält den Lohn, aber bei Unterbelegung fehlen die Einnahmen.»

Das Personal ist da und erhält den Lohn, aber bei Unterbelegung fehlen die Einnahmen.
Autor: Sven Egger Geschäftsleitung Lindenfeld, Suhr AG

Entlassungen soll es im Lindenfeld aber nicht geben. Egger versucht, über seine Netzwerke und über Marketing wieder mehr Bewohnerinnen und Bewohner zu gewinnen. Allenfalls will er beim Kanton Kurzarbeit für seine Angestellten beantragen.

Kurzarbeit als Ausweg

Das hat Marco Petruzzi bereits getan. Er leitet das «Haus zur Heimat» in Olten. Im Dezember brach im Heim Corona aus. Von 64 Betten sind aktuell deren zehn nicht besetzt. Rechne man bei einem Bett mit Kosten von ungefähr 8000 Franken, fehle für ein halbes Jahr eine halbe Million.

Ende Dezember hatte das «Haus zur Heimat» zu wenig Arbeit für das Personal. «Wir haben Arbeitsverhältnisse aufgelöst und Kurzarbeit beantragt, was dann bewilligt wurde», sagt Petruzzi. Einfach sei es nicht gewesen. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn habe zuerst beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco nachfragen müssen, ob die Bedingungen für die Kurzarbeitsentschädigungen auch im Pflegebereich gelten.

Wir haben Arbeitsverhältnisse aufgelöst und Kurzarbeit beantragt.
Autor: Marco Petruzzi Leiter «Haus zur Heimat», Olten SO

Unternehmerisches Risiko als Kriterium

Der Kanton wollte prüfen, ob wirklich Corona die Ursache der schwierigen finanziellen Verhältnisse ist. Viele Formulare später konnte Petruzzi dann sechs Pflegekräfte in Kurzarbeit schicken – bei vollem Lohn.

Das Seco bestätigt, dass auch das Pflegepersonal anspruchsberechtigt ist, wenn die Bedingungen wie bei anderen Berufsleuten erfüllt sind. Entscheiden müssten die einzelnen Kantone. Klar ist: Nur privatrechtlich geführte Alters- und Pflegeheime, die ein unternehmerisches Risiko tragen, können ihr Pflegepersonal in die Kurzarbeit schicken. Alters- und Pflegeheime der öffentlichen Hand haben keinen Anspruch.

Verband Senesuisse bestätigt prekäre Lage

Die beiden Beispiele sind keine Einzelfälle. Die zweite Corona-Welle habe die Lage noch verschlimmert, erklärt Christian Streit, Geschäftsführer des Verbands privater Alters- und Pflegeheime Senesuisse. Er kennt Fälle von Institutionen mit 20 bis 30 Prozent leeren Betten.

Das sind Kosten, die trotz hoher Einnahmenausfälle normal weiterlaufen. «70 bis 90 Prozent der Pflegeheimkosten sind Personalkosten. Damit gibt es ein grosses Problem», so Streit. Er hatte sich darum auch dafür eingesetzt, dass private Heime Kurzarbeit anmelden können.

70 bis 90 Prozent der Pflegeheimkosten sind Personalkosten.
Autor: Christian Streit Geschäftsführer Senesuisse

Was danach kommt, ist offen. Werden wieder mehr Menschen ins Altersheim gehen oder bringt die Zukunft mehr neue Formen wie die Pflege daheim? Kurzarbeit ist eine kurzfristige Lösung. Die Heimbranche könnte vor einem Umbruch stehen.

Rendez-vous, 09.04.2021, 12:30 Uhr

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