Die Gerüchteküche brodelt, seit bekannt ist, dass ein Aargauer in 35 Fällen angeklagt ist. Der 54-Jährige muss sich wegen mehrfachen Exhibitionismus und sexueller Handlungen mit Kindern vor Gericht verantworten. Er soll minderjährige Mädchen und junge Frauen über mehrere Jahre an der Solothurner Aare belästigt haben. Nun bestätigt die Aargauer Mitte-Präsidentin Berichte der «Aargauer Zeitung», dass es sich beim Angeklagten um einen Mitte-Politiker handelt.
Sie und die Partei seien erschüttert, sagt Marianne Binder, Präsidentin der Mitte Aargau, gegenüber SRF. Der Mann habe alle Ämter innerhalb der Partei niedergelegt und sei ausgetreten.«Wenn wir sowas gewusst hätten, wäre er schon lange nicht mehr in der Partei.»
Der Beschuldigte hatte im November auf einer Unterliste für den Nationalrat kandidiert und sass früher einmal im Kantonsparlament. Wusste das die Aargauer Mitte-Partei zum Zeitpunkt der Nationalratskandidatur? Überprüfen Parteien die Kandidierenden?
Grundvertrauen bei Mitte
Die betroffene Aargauer Mitte-Partei hat keine entsprechenden Regelungen in ihren Statuten. Man habe zwar Governance-Regeln, wie man sich fair im Wahlkampf zu verhalten habe.
«Meistens hat man aber ein Grundvertrauen in die Kandidierenden», so Präsidentin Marianne Binder. «Gerade bei gravierenden Vorwürfen sollte man nicht kandidieren.»
SVP und FDP graben tiefer
Genauer prüft die Aargauer SP ihre Hauptlisten-Kandidierenden, heisst es auf Anfrage. Diese werden einem zweistufigen Verfahren unterzogen. In einem Dokument müssen sie deklarieren, ob es in ihrem Leben etwas gibt, das zu Schwierigkeiten führen könnte.
Die FDP Aargau verlangt von Kandidierenden einen Strafregisterauszug und einen Betreibungsregisterauszug. Das gilt allerdings nur bei Regierungsrats- und Ständeratswahlen. Bei Nationalratswahlen sei das in dieser Tiefe nicht möglich, sagt die Partei auf Anfrage.
Die Aargauer SVP hingegen erwartet einen tadellosen Leumund, und dass man Strafverfahren deklariert, wenn man für ein politisches Amt kandidieren möchte. Hier ist der Strafregisterauszug obligatorisch. Zudem müssen Kandidierende eine Ehrencharta unterschreiben, die einen tadellosen Leumund versichert.
Kantonale Regeln gibt es jedenfalls nicht. Nur bei Gerichtspräsidentinnen und – präsidenten werde ein Strafregisterauszug verlangt, heisst es beim Kanton auf Anfrage.
Hätte Situation verhindert werden können?
Ob es im aktuellen Fall geholfen hätte, wenn ein Strafregisterauszug vorgelegen wäre, ist fraglich. Noch ist der mutmassliche Aargauer Exhibitionist nicht verurteilt. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.
Anonym nimmt er in verschiedenen Medien Stellung und entschuldigt sich. Viele Vorwürfe stimmten nicht, sagt er auch gegenüber SRF. Man habe ihn damals zur Nationalratskandidatur überredet.
Der 54-Jährige sei teilweise geständig, sagt die Staatsanwaltschaft. Er sei unter Ersatzmassnahmen auf freiem Fuss. Welche genau, sagte die Staatsanwaltschaft nicht. Möglich wären Fussfesseln, regelmässiges Melden bei den Behörden oder ein Aufenthaltsverbot in der Gegend der Tatorte.