Der Bergsturz von Bondo im August 2017 hat sie ins Rampenlicht katapultiert und schweizweit bekannt gemacht. Anna Giacometti führte die Gemeinde Bregaglia damals durch diese schwierige Lage, gab Interviews am Laufmeter und musste sich auch kritische Fragen gefallen lassen.
Ich kann die Kritik nicht akzeptieren.
Denn der Tod von acht Wanderern im Bergsturzgebiet warf viele Fragen auf, beispielsweise jene, ob die Gemeinde genügend vor der Situation im Tal gewarnt habe.
«Diese Kritik weise ich zurück. Die Warnschilder waren professionell gemacht mit den internationalen Gefahrenzeichen und auf Deutsch, Englisch und Italienisch. Darum kann ich diese Kritik nicht akzeptieren», so Giacometti.
Frisch fusionierte Gemeinde
2010 hatte die Bündnerin die frisch fusionierte Gemeinde Bregaglia übernommen. Sie war massgeblich an der Planung der Fusionsgemeinde beteiligt. Die ersten Jahre waren intensiv – die Gesetzgebung musste neu aufgebaut werden. 2015 gab es im Bergell dann aber viel zu feiern. So erhielt das Tal den renommierten Wakkerpreis und Soglio wurde zum schönsten Dorf der Schweiz gekürt. Giacometti erhoffte sich dadurch mehr Schwung für das Tal. Doch viele neue Bewohner sind nicht dazugekommen. Heute leben in der Gemeinde Bregaglia gut 1600 Menschen.
Der Bergsturz am 23. August 2017 verändert das Leben dieser Menschen und auch jenes von Anna Giacometti. Neben den grossen Aufräumarbeiten muss sie sich auch um den Wiederaufbau der Infrastruktur und Warnsysteme kümmern und gleichzeitig ein Ohr für die Ängste und Sorgen der Bewohnerinnen und Bewohner haben. Es sei die wohl intensivste Zeit ihrer Karriere als Gemeindepräsidentin gewesen, sagt sie heute.
Vom Bergell in die weite Welt
Giacometti ist im Bergell geboren. Nach dem Studium im Unterland arbeitet sie im konsularischen Dienst in Lissabon und Mailand und hätte 1987 nach New York gehen können. Doch sie entscheidet sich gegen New York und für ihre Heimat und zieht mit ihrem Partner zurück nach Stampa. Dort findet sie den Einstieg in die Politik.
Ich wollte es probieren mit dem Amt als Gemeindepräsidentin und Nationalrätin. Doch ich musste einsehen, dass es zu doch zu viel ist.
2019 wagt sie den Schritt aufs nationale Politparkett. Vom vierten Listenplatz aus geht sie für die Bündner FDP ins Rennen um einen Sitz im Nationalrat. Und schafft überraschend die Wahl. Doch die Doppelbelastung und die Distanz zwischen dem Bergell und Bern sind gross, zu gross. «Ich wollte es probieren mit dem Amt als Gemeindepräsidentin und Nationalrätin. Doch ich musste einsehen, dass es zu doch zu viel ist», meint Giacometti.
Ende Juni gibt sie nun ihr Amt als Gemeindepräsidentin ab und will sich voll und ganz auf ihre Politik im Nationalrat konzentrieren.