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Ansprachen des Bundesrats Drei Minuten «Staatsfernsehen» vor Abstimmungen in der Kritik

Wie darf der Bundesrat vor dem Urnengang «informieren»? Ein neuer UBI-Entscheid stellt die bisherige Praxis in Frage.

«Drei Minuten Staatsfernsehen» – so betitelt das Online-Fachmagazin Medienwoche einen Hintergrund-Text zu den Bundesratsansprachen auf den Fernseh- und Radiosendern der SRG. Nach Ansicht der Unabhängigen Beschwerdeinstanz UBI soll damit Schluss sein.

Auf Nachfrage erklärt der Autor Nick Lüthi: «Es ist eine Tatsache, dass in diesen drei Minuten, wo der Bundesrat spricht, die SRG-Redaktion keine Kontrolle über den Inhalt hat. Es ist de facto Staatsradio oder Staatsfernsehen. Das widerspricht eigentlich dem Grundgedanken des Mediums.»

Es ist eine Tatsache, dass in diesen drei Minuten, wo der Bundesrat spricht, die SRG-Redaktion keine Kontrolle über den Inhalt hat.
Autor: Nick Lüthi Medienjournalist

Dass sich der zuständige Bundesrat unkommentiert, ohne kritische Gegenfragen oder ohne Konfrontation mit dem anderen politischen Lager zur besten Sendezeit direkt ans Publikum wenden kann, verstösst in den Augen der Beschwerdeinstanz UBI gegen das rundfunkrechtliche Vielfaltsgebot.

Ueli Maurer.
Legende: Die Beschwerde bezog sich auf die Ansprache vom 25. April 2022 von Bundesrat Ueli Maurer zur «Frontex»-Vorlage, über die am 15. Mai 2022 abgestimmt wurde. Die Ausstrahlung lief auf Radio SRF 1. Die Ansprachen werden jeweils auch unmittelbar vor der «Tagesschau» vom zuständigen Mitglied des Bundesrates gehalten. SRF

UBI-Präsidentin Mascha Santschi sagt es so: «Das Vielfaltsgebot will sicherstellen, dass man vor Wahlen und Abstimmungen die Chancengleichheit der Lager beachtet, so dass sich das Publikum im Hinblick auf die kommenden Abstimmungen frei eine Meinung bilden kann.»

Ombudsstelle begrüsst Klärung

Es ist das erste Mal, dass sich die UBI zu diesen bundesrätlichen Abstimmungsbeiträgen äussern muss. Bei der Ombudsstelle hingegen, die der UBI vorgelagert ist, waren sie immer wieder Thema. Es gab immer wieder Beschwerden, doch wies die Ombudsstelle diese jeweils mit der Begründung ab, es gebe eine Abmachung zwischen der SRG und der Bundeskanzlei.

Entsprechend müsse die SRG diese Beiträge ausstrahlen, ohne darüber eine redaktionelle Kontrolle ausüben zu können. Dies sei zwar ein Schönheitsfehler, den man aber in Kauf nehmen müsse. Auf Anfrage heisst es bei der Ombudsstelle der SRG Deutsch-Schweiz, man sei froh, dass es nun einen Grundsatzentscheid und eine Klärung durch die UBI gebe.

Keine andere Lösung in Sicht

Doch wie es nun weitergeht, ist zurzeit offen. UBI-Präsidentin Santschi stellt klar: «Das heisst nicht, dass diese Stellungnahmen des Bundesrates nicht mehr ausgestrahlt werden dürfen. Das können sie nach wie vor. Sie müssen aber in einen Kontext eingebettet werden, der auch die Gegenseite berücksichtigt.»

Das heisst nicht, dass diese Stellungnahmen des Bundesrates nicht mehr ausgestrahlt werden dürfen.
Autor: Mascha Santschi UBI-Präsidentin

Wäre es nun eine mögliche Lösung, auch dem gegnerischen Abstimmungskomitee die gleiche Möglichkeit eines freien kurzen Auftritts in Radio und Fernsehen zu geben?

Nach den Worten von Medienjournalist Nick Lüthi wäre das die «schlechtestmögliche Lösung», auch wenn sie auf den ersten Blick vernünftig erscheine: «Stellt man sich vor, dass ein Komitee mit zweifelhaften und schlimmstenfalls justiziablen Inhalten auftritt und SRF diese verbreiten müsste, könnte es heikel werden.»

BK: Ausgewogen und sachlich als Kriterien

Die SRG, zu der auch Radio SRF gehört, will zuerst die schriftliche Begründung der UBI abwarten, bevor sie über das weitere Vorgehen entscheidet. Ebenso die Bundeskanzlei, die die bundesrätlichen Auftritte organisiert.

Bisher vertrat die Bundeskanzlei jeweils die Position, dass die bundesrätlichen Auftritte zum gesetzlichen Informationsauftrag des Bundesrats gehörten. Und er müsse laut Gesetz ausgewogen und sachlich informieren.

Rendez-vous. 02.09.2022, 12:30 Uhr

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