Es war im Juni vor zwei Jahren, als der Geschäftsführer einer Zürcher Firma aus dem Dienstleistungssektor die Geschäfts-Handys seiner Angestellten einforderte. Es sollte routinemässig kontrolliert werden, dass auf den Geräten keine privaten Apps installiert waren.
Auf dem Handy seiner Assistentin entdeckte der Geschäftsführer den weit verbreiteten Chat-Dienst WhatsApp. Er las die privaten Nachrichten der Frau und entdeckte, dass sie in einem Chat mit einer anderen Mitarbeiterin ehrverletzende Aussagen über ihn gemacht hatte.
Ausserdem hatte die Frau der Mitarbeiterin Geschäftsgeheimnisse verraten, eine weitere Mitarbeiterin massiv gemobbt und einmal eine Krankheit vorgetäuscht. All dies war in den WhatsApp-Chats ersichtlich.
Fristlose Kündigung war rechtswidrig
Der Geschäftsführer kopierte die Chats als Beweismittel – und entliess seine Assistentin fristlos, denn sie habe die arbeitsvertragliche Treuepflicht massiv verletzt und gar strafbare Handlungen begangen. Die Frau wehrte sich gegen die fristlose Kündigung. Sie hat nun vor Zürcher Obergericht Recht bekommen.
Im Urteil, das heute veröffentlicht wurde, heisst es, der Arbeitgeber habe sich seine Beweise für die fristlose Kündigung rechtswidrig beschafft. Der Geschäftsführer argumentierte zwar, er habe die Chats nur gelesen, weil er herausfinden wollte, ob es sich um geschäftliche oder private Nachrichten handelte – aber dies liess das Gericht nicht gelten.
Der Geschäftsführer habe gar kein Recht gehabt, die privaten Nachrichten der Frau zu lesen, denn schliesslich habe es keinen konkreten Verdacht gegen sie gegeben.
Chef verletzte Geheimsphäre der Mitarbeiterin
Zwar habe die Frau mit der WhatsApp-Installation auf dem Geschäfts-Handy und den privaten Chats wohl die Anstellungsbedingungen der Firma verletzt, so das Gericht. Aber um das zu sanktionieren, hätte der Chef die App einfach vom Gerät löschen können. Indem er aber die Nachrichten las, habe er die Geheimsphäre seiner Mitarbeiterin verletzt, und zwar in «nicht zu unterschätzender Weise».
Das Recht der Frau auf Geheimsphäre sei im vorliegenden Fall klar höher zu werten als das Interesse des Arbeitgebers auf Wahrheitsfindung. Das Obergericht bestätigt deshalb das Urteil des Zürcher Arbeitsgerichts: Die fristlose Kündigung war ungerechtfertigt. Die Frau, die im Chat Geschäftsgeheimnisse verraten und ihren Chef und eine Mitarbeiterin schlecht geredet hatte, bekommt nun eine Lohnnachzahlung und eine Entschädigung – ihren Job ist sie aber los.