- Die Gewerkschaften pochen auf einer Senkung der Arbeitszeit in der Landwirtschaft auf unter 55 Stunden.
- Derzeit sprechen die Sozialpartner im Kanton St. Gallen miteinander über eine maximale Arbeitszeit von 50 Stunden pro Woche.
- Das Verhandlungsergebnis dürfte Auswirkungen auf die ganze Deutschschweiz haben.
- In der Westschweiz liegt bereits eine Einigung vor: Dort wird die maximale Arbeitszeit für Landwirtschaftsangestellte auf 45 Stunden gesenkt.
Die Arbeitstage auf einem Bauernhof sind lang. Darin sind sich die Sozialpartner einig. Allerdings scheiden sich die Geister bei der Frage, wie lange ein Angestellter fürs Kühe melken und fürs Gülle ausbringen eingespannt werden darf.
Bauernfamilie muss länger ran
Der Bauernverband als Arbeitgebervertreter sieht keinen Anlass, die Wochenarbeitszeit von 55 auf 50 Stunden zu reduzieren. «Wenn die Angestellten noch weniger Arbeitszeit leisten, ist die übrige Arbeit von der Betriebsleiter-Familie zu bewältigen», sagt Peter Nüesch. Der Präsident des Bauernverbands im Kanton St. Gallen betont, dass sich die Arbeit nicht von selber erledige.
Im Übrigen kritisiere kaum ein Angestellter die langen Arbeitstag, so Nüesch. Hier hakt die Gewerkschaft ein. Für sie ist klar, weshalb sich die Angestellten nicht beschweren: Die Bauernarbeiter seien ihren Arbeitgebern nahezu ausgeliefert und hätten kaum Mittel, um sich zu wehren.
Auch Angestellte sollen profitieren
Ausserdem vereinfache der technologische Fortschritt die Arbeit auf dem Bauernhof, so die Gewerkschaft. Das müsse auch den Angestellten in Form von kürzeren Arbeitszeiten zu Gute kommen. Roland Häberli, Interimspräsident der Bauerngewerkschaft im Kanton St. Gallen, sagt: «Die Landwirtschaftsangestellten müssen einen Vorteil von der Mechanisierung haben.»
Anständige Arbeitsbedingungen sind eine öffentliche Aufgabe.
Schützenhilfe erhält Häberli vom obersten Gewerkschafter der Schweiz, Paul Rechsteiner. Der St. Galler SP-Ständerat appelliert in der Sache an die Kantonsregierungen. Denn diese müssen die Einzelarbeitsverträge für landwirtschaftliche Angestellte gutheissen. «Es ist eine öffentliche Aufgabe, sich um anständige Arbeitsbedingungen zu kümmern», so Rechsteiners Argument.
Derzeit sieht sich der zuständige St. Galler CVP-Regierungsrat Bruno Dammann allerdings noch nicht in der Pflicht. Man habe beiden Parteien mitgeteilt, dass sie zuerst zusammen über das Thema sprechen müssten. «Danach sollen sie uns einen Vorschlag unterbreiten», so Dammann.
Signal für die ganze Deutschschweiz
Der weitere Verlauf der Gespräche im Kanton St. Gallen wird von den nationalen Sozialpartnern mit Interesse verfolgt. Wird die Wochenarbeitszeit in der Ostschweiz auf 50 Stunden gesenkt, dann dürfte das die bevorstehenden Diskussionen in den Kantonen Zürich und Bern beeinflussen. Die 50-Stundenwoche für Angestellte könnte so schon bald für alle Bauernhöfe in der Deutschschweiz als Richtwert gelten.
Bereits neu ausgehandelt sind die Verträge in der Westschweiz. In den Kantonen Genf und Waadt arbeiten Angestellte auf Landwirtschaftsbetrieben künftig maximal 45 Stunden pro Woche.