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Armee im Covid-Einsatz Altersheim statt Panzerpiste

Statt Sturmgewehre braucht es Hygienemasken: Die Armee kämpft gegen einen unsichtbaren Feind. Ein Besuch bei der Truppe im Einsatz.

«Es sind gemischte Gefühle, die einem durch den Kopf gehen», räumt Julian Speiser ein und setzt seine Schutzbrille auf. Der Sanitätssoldat trägt einen Ganzkörper-Schutzanzug und macht sich bereit, um mit der Armeeambulanz einen Corona-Patienten ins Spital zu transportieren. «Man fühlt sich sicherer, mit dem Anzug. Auf jeden Fall sicherer als ohne», so Speiser gegenüber der «Rundschau». Aber die Patienten würden auch erschrecken, wenn die Sanitäter wie Raumfahrer verpackt kommen.

Speiser ist im normalen Leben Hörsystem-Akustiker. Jetzt kämpft er in Basel an vorderster Front gegen das Coronavirus. «Angst mich anzustecken habe ich nicht», sagt Speiser und steigt in die Ambulanz. Die Soldaten leisten täglich 12-Stunden-Schichten und sind bei der Rettung Basel stationiert.

Frühstück servieren im Altersheim

«Am Anfang hatte ich Mühe», sagt Alessandro Möckli. Die Umstellung sei ihm nicht leichtgefallen, erzählt der Rekrut. Er serviert im Seniorenzentrum Aumatt in Reinach (BL) Frühstück und geht mit den Senioren spazieren. Möckli ist im normalen Leben Landmaschinenmechaniker und wird nun im Rahmen seiner Rettungstruppen-Rekrutenschule im Altersheim eingesetzt.

«Wir hatten vor ein paar Wochen eine sehr aussergewöhnliche Situation», so Heimleiter Salvatore Pranzo. Mehrere Bewohner hatten sich mit dem Virus angesteckt. Für die Pflege bedeutet das einen grossen Mehraufwand und gleichzeitig fielen mehrere Angestellte des Heimes aus, weil sie zu Risikogruppen gehören. «Unser Haus brannte. Wir sind deshalb sehr froh über den Einsatz der Armee», so Pranzo weiter.

Imagegewinn für die Armee

Nach Ende des Kalten Krieges war in der Schweiz über die Abschaffung der Armee diskutiert worden. Jetzt leistet sie ihren grössten Einsatz seit dem Zweiten Weltkrieg. «Man muss das undenkbare Denken. Wer hätte gedacht, dass eine Pandemie die Schweiz fast in die Knie zwingen kann?», sagt Divisionär Daniel Keller.

Dass es für solche Einsätze keine Panzer und Kampfjets braucht, ändert für den Kommandanten der Territorialdivision II nichts: «Wir sind als Armee dann gut aufgestellt, wenn wir in allen Szenarien die richtigen Fähigkeiten haben, um tatsächlich agieren zu können», so Keller gegenüber der «Rundschau». Deshalb müsse die Armee auch breit aufgestellt bleiben und müsse auch in Zukunft kämpfen können.

Warten auf Urlaub

Alessandro Möckli zieht eine positive Bilanz seiner Zeit im Altersheim: «Ich habe sehr viel gelernt. Vor allem auch Geduld zu haben», so Möckli gegenüber der «Rundschau». Mittlerweile gefalle ihm die Arbeit im Alterszentrum. Nach mehreren Wochen nur im «Tenue-grün» habe er aber schon langsam genug. «Ich freue mich extrem, wieder einmal nach Hause zu können. Meine Familie zu sehen, sich auszutauschen und ein Bier zu trinken.» Vorerst muss sich Rekrut Möckli aber noch gedulden, bis er das erste Mal in Urlaub darf.

Rundschau 22.04.2020, 20:05 Uhr

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