Am Dienstagabend, einen Abend vor der offiziellen Bekanntgabe des Bundesrates zu seinen Sparplänen, veröffentlichte der «Tagesanzeiger» einen viel beachteten Artikel. Darin steht: Auch die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) soll von den Sparplänen des Bundesrats betroffen sein.
Angeblich wollte Finanzministerin Karin Keller-Sutter über fünf Jahre lang zu je 190 Millionen Franken den Bundesbeitrag an die AHV kürzen. So lauteten die zugespielten Informationen der Tamedia-Zeitung. Über die Urheberschaft und deren Motiv ist nichts bekannt.
Das Netz in Aufruhr
Passiert ist nichts davon. Der Rotstift soll unter anderem bei der Arbeitslosenversicherung (ALV) – und nicht bei der AHV – angesetzt werden, wie der Bundesrat gestern mitteilte .
Ob Keller-Sutter im Bundesrat eine Niederlage erlitt oder ob sie selbst vom Antrag absah, ist laut der Tamedia-Zeitung nicht bekannt.
Die Empörung in der Schweizer Bevölkerung über das AHV-Leak ist gross. Unter dem Hashtag #RuecktrittKKS fordert das Netz gar die Abdankung der Finanzministerin. Das Narrativ häufig dasselbe: Warum rettet der Bund die CS mit Milliarden und denkt gleichzeitig darüber nach, bei der AHV zu sparen?
Die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) dementiert dies. Die gesprochenen Verpflichtungskredite an die CS hätten keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Budget und damit den Finanzhaushalt des Bundes.
Die Probleme im Bundeshaushalt haben gemäss EFV schon vor dem Fall Credit Suisse bestanden. Budgetiert – geschweige denn bezahlt – hat der Bund für die CS noch nichts. Er hat lediglich Garantien gesprochen, bei denen er auch Einnahmen generiert .
Wem die Empörung nützt
Nun stellt sich die Frage: Wem nützt der ganze Aufruhr? Dafür müsse man sich anschauen, wer das Leak nutzte, um politische Stimmung zu machen und die öffentliche Empörung zu bewirtschaften. Das sagt Patrick Senn.
Der Jurist und ehemalige Journalist berät Firmen und Behörden in der Kommunikation und im Krisenmanagement. «Wenn ich die verschiedenen Stellungnahmen durchgehe und ein wenig durch Twitter surfe, ist es klar: Es ist die politische Linke, die jetzt versucht, daraus Kapital zu schlagen», sagt der Kommunikationsexperte.
Populisten links wie rechts nützten solche Taktiken natürlich gerne.
Über das Ziel der Leaks könne man im Moment nur spekulieren, meint Senn. Es sei naheliegend, dass genau diese Skandalisierung gesucht wurde im Sinne von ‹Für die Rettung einer Bank gibt man 250 Milliarden aus, bei den Kleinen spart man›.
Zwar sei dies eine nicht zulässige Verkürzung und Vermischung von völlig verschiedenen Sachverhalten, stimmt Senn dem EFD zu, «aber solche Taktiken nützten natürlich Populisten links wie rechts gerne», sagt Senn.
Solange die Urheberschaft und deren Motive nicht bekannt sind, wird das Spekulieren weitergehen. Der Bundesrat hat aber bereits angekündigt, gegen den Urheber der geleakten Unterlagen Strafanzeige zu erstatten.