«Ich habe im Abstimmungskampf zum Stromgesetz mehrmals erklärt: Das Beschwerderecht bleibt bestehen.» Mit diesem Votum erinnerte SVP-Bundesrat Albert Rösti den Ständerat noch einmal daran, was die Regierung im Abstimmungsbüchlein versprochen hatte.
Das Beschwerderecht betrifft 16 grosse Wasserkraftprojekte, die an einem runden Tisch mit den Umwelt- und Naturschutzverbänden ausgewählt worden sind, um den fehlenden Strom nach Abschaltung der Schweizer Kernkraftwerke zu ersetzen. Damit diese Wasserkraftprojekte rasch realisiert werden können, diskutiert das Parlament über einen sogenannten «Beschleunigungserlass». Mit diesem sollen die Bewilligungsverfahren um mehrere Jahre verkürzt werden. Doch der Sprecher der ständerätlichen Umweltkommission, der Walliser Mitte-Vertreter Beat Rieder, stellt fest: «Es wird hier mit gezinkten Karten gespielt.»
Keine Einigung bei Verbandsbeschwerderecht
Die Umweltverbände hätten zwar am runden Tisch den 16 Wasserkraftprojekten zugestimmt, drohten jetzt aber dennoch mit Beschwerden, ärgert sich Rieder. Beim grössten Projekt, der geplanten Gorner-Staumauer oberhalb von Zermatt, würden die Verbände jetzt sagen: «Wir sind nicht einverstanden mit einer 80 Meter hohen Staumauer – wir wollen einen kleinen Erdwall.»
Das sei eine Verschaukelung des Parlaments und der Bevölkerung, findet Rieder. Den Umweltverbänden müsse deshalb das Recht, Beschwerden gegen die 16 Projekte einreichen zu können, entzogen werden.
«Das dürfen wir nicht zulassen», kontert die grüne Baselbieter Ständerätin Maya Graf. Sie hat sich für einen Kompromiss starkgemacht, den der Nationalrat im Frühling zimmerte. Demnach sollen Beschwerden nur noch möglich sein, wenn mindestens drei Verbände mitmachen. Das habe gleich mehrere Vorteile, argumentiert Graf: «Der Bau dieser Projekte kann rasch voranschreiten, was wir alle wollen.» Gleichzeitig sei ein minimaler Rechtsschutz gewährleistet.
Doch von diesem Kompromiss möchte der Ständerat nichts wissen. Bereits zum zweiten Mal hat er sich mit 25 zu 18 Stimmen dafür ausgesprochen, das Verbandsbeschwerderecht bei den 16 Wasserkraftprojekten ganz zu beseitigen. Damit aber drohe dem «Beschleunigungserlass» in der Schlussabstimmung im Parlament der Totalabsturz, sagt Energieminister Albert Rösti.
Selbst wenn die Vorlage durchkäme, wäre sie seiner Meinung nach gefährdet: «Dann kommt wahrscheinlich ein Referendum und das gibt eine unschöne Geschichte.»
Umweltverbände reagieren postwendend
Die Umweltverbände reagieren denn auch sehr heftig auf den heutigen Entscheid. Er sei ein «unnötiges Foul auf Kosten der Natur und des Volkswillens», schreiben WWF, Pro Natura und BirdLife Schweiz in einer gemeinsamen Mitteilung.
Die Vorlage geht nun an den Nationalrat, der sie erneut beraten wird.