Lange war in Bündner Bergdörfern klar: Der Mann geht arbeiten, die Frau schaut zu Hause zu den Kindern oder die Grosseltern hüten. Dieses Rollenbild hat sich inzwischen geändert. Die Anzahl Kindertagesstätten ist in Graubünden sprunghaft angestiegen – auf über 40 Institutionen im Kanton.
Viele Leute kannten das Konzept nicht und fragten sich, ob eine Kita etwas Ähnliches ist wie ein Heim.
Nicht nur in den grösseren Städten und Gemeinden, auch in Dörfern spielen sogenannte Kitas eine immer wichtigere Rolle. Sie sind in den peripheren Berggebieten im Kanton Graubünden unverzichtbar geworden. In Disentis/Mustér hat die Kita Lumpazi sogar an gewissen Tagen eine Warteliste.
Kita-Leiterin Lisa Giorgio hat das Umdenken miterlebt: «Viele Leute kannten das Konzept nicht und fragten sich, ob eine Kita etwas Ähnliches ist wie ein Heim. Auch Grosseltern waren sehr skeptisch. Sie hatten Angst, man nehme ihnen etwas weg, was sie eigentlich gerne machen.»
Dank Kitas Abwanderung stoppen
Kitas sind zu einem Standortfaktor geworden. Sie tragen dazu bei, dass gerade in Bergdörfern die Abwanderung gestoppt werden kann. «So kann die Attraktivität des Dorfes gesteigert werden», bestätigt auch die Gemeindepräsidentin von Val Müstair, Gabriella Binkert Becchetti.
Einzelne brachten ihr Kind in eine Kita ennet der Grenze im Südtirol – das kann es nicht sein.
Das Tal ist im Moment noch ein blinder Fleck auf der Kita-Landkarte im Kanton Graubünden. Dies soll sich jedoch bald ändern. «Bis jetzt organisierten sich die jungen Familien mit Grosseltern oder einer Tagesmutter. Einzelne nahmen ihr Kind sogar schon mit über die Grenze ins Südtirol und brachten es dort in eine Kita – das kann es nicht sein.» Eine Bedarfsanalyse, welche ausgearbeitet wird, klärt nun die genauen Vorstellungen ab.
Ausgezeichnet mit Frühforderungspreis
Damit in Randregionen und Berggebieten die Qualität des Bildungsstandortes und die Chancengleichheit gefördert wird, vergibt die Pestalozzi-Stiftung regelmässig einen Frühförderungspreis. Dieser ging dieses Jahr an die Kita Lumpazi in Disentis/Mustér.
In den Städten ist es noch eher möglich, Personal zu finden. In den Bergregionen sieht das viel schwieriger aus.
Der mit 20'000 Franken dotierte Preis soll nun für Eltern eingesetzt werden, die sich keinen Kitaplatz leisten können, für Weiterbildungen – und natürlich für neue Spielsachen.
Fachkräftemangel auch in den Bündner Bergen
Wie auch in anderen Berufen, kämpfen Kitas in Graubünden mit dem Problem, keine gut ausgebildeten Fachkräfte mehr zu finden. Lisa Giorgio von der Kita Lumpazi bereitet das grosse Sorgen: «In den Städten ist es noch eher möglich, Personal zu finden. In den Bergregionen sieht das viel schwieriger aus. Zudem leidet der Beruf darunter, dass die Bezahlung nicht gerade gut ist.»
Gewisse Kitas konnten kaum mehr ihre Öffnungszeiten einhalten, weil das Personal fehlte.
Das bestätigt auch Cornelia Mainetti von der Fachstelle Kinderbetreuung Graubünden: «Teilweise war das Problem schon so akut, dass gewisse Kitas kaum mehr ihre Öffnungszeiten einhalten konnten, weil ihnen schlicht das Personal fehlte.»