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Ausgestorben und angesiedelt Wie die Inzucht dem Schweizer Luchs schaden könnte

Die fehlende Vielfalt in der Genetik von Luchsen wird untersucht. Haben die Tiere deshalb Herzprobleme?

In der Schweiz gibt es zwei Luchspopulationen – eine im Jura und eine in den Alpen. Das Tier wurde hierzulande, nachdem es vor über 100 Jahren ausgestorben war, ab 1971 wieder angesiedelt. Nur wenige Luchse wurden in den slowakischen Karpaten gefangen und in der Schweiz frei gelassen.

Versäumnisse von vor 50 Jahren

Heute steht fest: Die gesamte Luchspopulation stammt von diesen Gründertieren ab. Kristina Vogt, Wildtierbiologin bei der Stiftung Kora, sagt: «Später kam heraus, dass einige Tiere, die umgesiedelt wurden, miteinander verwandt waren. Dem hat man damals aber noch keine Beachtung geschenkt.»

Ein Fehler, der nun zu Problemen führen könnte. Vogt untersucht die genetische Vielfalt der Luchse in der Schweiz. Das Wissen um die Bedeutung dieser Vielfalt sei in den 1970er-Jahren kaum vorhanden gewesen. «Beim Vergleich zwischen der Population in der Schweiz und der Ursprungspopulation in den Karpaten sieht man, dass unsere Luchse gewisse Genvarianten verloren haben über die Zeit.»

Die Stiftung Kora

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Die Stiftung Kora kümmert sich um Raubtierökologie und Wildtiermanagement, hauptsächlich im Auftrag des Bundesamts für Umwelt. Kora erforscht die Lebensweise der fünf Raubtiere Luchs, Wolf, Bär, Wildkatze und Goldschakal und überwacht die Entwicklung der Population.

Bei einem Kora-Projekt werden die gesundheitlichen Folgen der Inzucht für die Luchse erforscht. Einen Verdacht habe man bereits, sagt Kristina Vogt. «In der Alpenpopulation werden zunehmend Herzgeräusche festgestellt. Ziel des Projekts ist es, herauszufinden, ob die Herzgeräusche etwas mit der Genetik zu tun haben und ob dies einen Einfluss auf das Überleben der Tiere hat.»

Luchs
Legende: In den 1970er-Jahren wurden in der Schweiz 25 bis 30 Luchse ausgesetzt. Keystone/Jean-Christophe Bott

Es sind Herzgeräusche, die man bei gesunden Tieren nicht hört. Diese kommen zwar auch bei den Luchsen, die ihr Streifgebiet im Jura haben, vor, allerdings seltener als in den Alpen. Im Jura gibt es aber andere mögliche Inzestfolgen: «Im französischen Jura gab es in den letzten Jahren ein paar Luchse ohne Ohren. Hier gilt es abzuklären, warum das der Fall ist. Ist es genetisch oder allenfalls eine Krankheit?», sagt Vogt. Resultate werden für nächstes Jahr erwartet.

Internationale Zusammenarbeit

Das Problem der genetischen Vielfalt der Luchse ist kein nationales. In einem länderübergreifenden Projekt versuchen Forschende, die gesamte Population europaweit zu schützen und besser zu vernetzen. Die heute isolierten Populationen sollen sich künftig untereinander austauschen können.

Der Luchs in der Schweiz

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Karte der Luchs-Vorkommnisse in der Schweiz
Legende: Das Verbreitungsgebiet in der Schweiz wird in drei Kategorien aufgeteilt: Rot = K1 («Hard facts»), Blau = K2 (bestätigte Meldungen), Grün = K3 (nicht überprüfbare Hinweise). Stiftung KORA

Seit den 1970er-Jahren ist der Eurasische Luchs (lat. Lynx Lynx) in der Schweiz wieder heimisch. Er gilt hierzulande als stark gefährdet und ist deshalb per Jagdgesetz geschützt.

Der Luchs verteilt sich auf zwei Populationen – Jura und Alpen. Die Jura-Population erstreckt sich über den gesamten Jurabogen vom Genfersee bis Liestal bzw. Buchs AG. In den Alpen haben sich die Luchse vor allem auf der Nordseite verbreitet, wo sie vom Genfersee bis zum Bodensee anwesend sind.

Da das Fotofallen-Monitoring von KORA nicht gleichzeitig stattfindet, lässt sich kein genauer Bestand an Luchsen angeben. Nach Schätzungen lebten im Jahr 2019 in der Schweiz 254 (+/- 12) unabhängige Luchse.

Quelle: Stiftung KORA für Raubtierökologie und Wildtiermanagment

Dazu müssten aber neue Luchse ausgesetzt werden. Oder es bräuchte deutlich mehr Grünbrücken über Wanderhindernisse wie Autobahnen. Die Diskussionen über die Zukunft der europäischen Luchse stehen aber noch ganz am Anfang.

Grösseres Wachstum als erwartet

Neue, fremde Tiere anzusiedeln sei im Prinzip eine gute Idee, sagt Kurt Altermatt, Präsident der Solothurner Jägerschaft, aber: «Der Juraluchs bleibt regional. Dies kann zu genetischen Problemen führen.» Im Kanton Solothurn achte und schütze man den Luchs. Er darf nicht geschossen werden.

Man merke aber, dass die Luchspopulation weit darüber hinauswuchs, was man ursprünglich erwartet hatte, sagt Altermatt: «Das führte dazu, dass in gewissen Revieren der Wildbestand massiv zurückging. Deshalb wäre auch der Luchs aus unserer Sicht zu regulieren.» Dafür gibt es aber momentan keine gesetzliche Grundlage.

Will man die Schweizer Luchspopulation mit fremden Tieren auffrischen, könnte sich die Raubkatze wieder stärker vermehren. Dann dürfte die Jagd bzw. das Jagdverbot zu einem wichtigen Streitpunkt werden.

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Echo der Zeit, 30.10.2023, 18:00 Uhr ; 

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