Wer auf der Karte des Bundesamts für Raumentwicklung die Zweitwohnungsgemeinden sucht, erkennt schnell ein Muster: Gemeinden im Wallis, Tessin und Graubünden sind markiert. Das heisst: mehr als 20 Prozent der Wohnungen gehören Zweitheimischen.
Im nicht alpinen Raum sticht eine weitere Fläche heraus. Mammern TG ist rot markiert. Rot heisst: mehr als 20 Prozent Zweitwohnungen, Tendenz steigend. Der Ort am Untersee hat einen Anteil von knapp 24 Prozent und ist damit praktisch ein Sonderfall.
Die Wurzeln dieses Phänomens reichen rund 100 Jahre zurück. «Früher gehörten die Seeuferparzellen den Landwirten und waren unbeliebt. Die waren nass und es kamen Aale», sagt Gemeindepräsidentin Anita Dähler.
Städter aus Winterthur, St. Gallen oder Schaffhausen entdeckten aber den Reiz des Sees, kauften Land und bauten Ferienhäuser. Viele Gebäude stehen noch heute, dauerhaft bewohnt sind sie aber selten.
Das hat Folgen: Wer in Mammern wohnen will, findet kaum bezahlbaren Wohnraum. Einheimische bauen meist nur, wenn sie eigenes Land haben. «Eigentumswohnungen sind in Mammern sehr teuer», sagt Dähler. «Mietwohnungen werden gar nicht mehr gebaut – aber gesucht.»
Wenn eine Wohnung über längere Zeit leer steht, weil der Eigentümer sie weder verkaufen noch vermieten kann, dürfen wir sie weitervermieten oder darin Asylsuchende unterbringen.
Gleichzeitig sorgt das Zweitwohnungsgesetz, das seit zehn Jahren gilt, für strikte Vorgaben: Wer neu baut oder eine bestehende Wohnung um mehr als 30 Prozent vergrössert, muss sich als Erstwohnungsinhaber anmelden. «Wir haben eine sehr gute und strenge Praxis, die wir ohne Pardon durchziehen. Wir kontrollieren auch, ob sich die Leute tatsächlich hier anmelden», so die Gemeindepräsidentin.
Im Extremfall könne die Gemeinde eingreifen, erklärt Bauverwalterin Andrea Kopf: «Wenn eine Wohnung über längere Zeit leer steht, weil der Eigentümer sie weder verkaufen noch vermieten kann, dürfen wir sie weitervermieten oder darin Asylsuchende unterbringen. Der Aufwand ist gross, aber möglich.»
Die Umsetzung der Regeln ist aufwändig – und oft eine Frage von Zentimetern. «Es gibt immer wieder Grenzfälle, bei denen auf den Quadratmeter genau berechnet werden muss: liegt die Erweiterung über oder unter den 30 Prozent des Bauvolumens?»
Hilfe kommt aus den Bergen, nicht vom Kanton
«Der Kanton unterstützt uns zwar, es fehlt aber das nötige Wissen», sagt Bauverwalterin Kopf. Bei konkreten Fragen wendet sie sich deshalb lieber an die Bergkantone: «Graubünden, Wallis oder Tessin haben natürlich 30 bis 40 Prozent Zweitwohnungen. Das ist bei diesen Kantonen tägliches Business», sagt Kopf. «Bei uns ist es jedes Mal eine Herausforderung. Dann rufe ich dort an, sie helfen gern.»
Seit Oktober darf man Ferienhäuser in der Schweiz auch rückbauen und neu errichten. Das Haus bleibt rechtlich eine Zweitwohnung, sofern der Neubau nicht mehr als 30 Prozent grösser ist als ursprünglich. Genauigkeit ist gefragt: «Ein Gang oder Waschraum zählt nicht», sagt Kopf. Überschreitet der Bau die 30-Prozent-Grenze, wird er rechtlich zu einem Erstwohnsitz.
Weil alle Schweizer Gemeinden regelmässig ihren Wohnungsbestand erfassen müssen, variiert die Zweitwohnungsquote von Quartal zu Quartal. Erstwohnungsbesitzer beobachten die Quote genau. «Kaum fallen wir bei den Quartalszahlen mal unter die gesetzlichen 20 Prozent, kommen Telefonate», erzählt Kopf. Besitzer wollen sich abmelden und die Wohnung künftig als Zweitwohnung nutzen.
Doch die Gemeinde bleibt hart. Massgebend sind die Jahreszahlen. Diese halten sich stabil bei knapp über 20 Prozent.