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Trotz Verfassungsbestimmung Parlament erlaubt wieder mehr Zweitwohnungen

    In touristischen Regionen sollen nicht zu viele Ferien- und Zweitwohnungen entstehen. Das hat das Stimmvolk 2012 mit der Zweitwohnungsinitiative beschlossen. Nicht höher als 20 Prozent soll der Anteil sein. Das galt bislang aber nur für Wohnungen, die nach dem Volksentscheid gebaut wurden.

Inzwischen ist klar, welche Folgen die Initiative im Detail hat. «Die Annahme der Zweitwohnungsinitiative traf die Berggebiete wie einen Schock», sagte Heidi Z'graggen, Mitte-Ständerätin aus Uri, im Ständeratssaal.

Alte Häuser abreissen für Ferienwohnungen

Das Parlament lockert nun die Bestimmungen für den Bau von Ferien- und Zweitwohnungen. Die Lockerungen kommen zum Zug, wenn alte Bauten abgerissen und durch neue ersetzt werden.

Dies geschieht unabhängig vom 20-Prozent-Deckel: Wer abreisst und neu baut, soll nicht nur die Wohnfläche um knapp einen Drittel vergrössern dürfen. Es sollen auch neue, zusätzliche Wohnungen entstehen dürfen. Diese sollen dann als Ferienwohnung vermietet werden können.

Das beschloss eine Mehrheit von Mitte, FDP und SVP zuerst im Nationalrat – und heute auch im Ständerat. Brigitte Häberli-Koller von der Mitte: «Die Eigentümer und Eigentümerinnen, welche ihre Zweitwohnung auf einen aktuellen Stand bringen wollen, sehen sich durch die heutigen Restriktionen eingeschränkt und sehen auch darum davon ab, energiefördernde, wichtige Investitionen zu tätigen.»

Dörfer würden verfallen, weil sich Ersatzneubauten ohne die Anpassungen nicht lohnten, so die Befürchtung.

Vorbehalte von links und rechts

Gar nicht einverstanden war die Ratslinke. Die Vorlage sei offensichtlich gegen die Verfassung, so die Jurassierin Mathilde Crevoisier (SP).

Doch die Skepsis geht bis ins bürgerliche Lager, weil Zusatzwohnungen direkt als teure Zweitwohnungen verkauft und vermietet werden könnten. Bereits bisher konnten ältere Wohnungen ohne Einschränkungen in Ferienwohnungen umgewandelt werden.

Ein Mann mit Brille in einem holzgetäferten Saal
Legende: Die Lockerung bereitet nicht nur den Linken Sorgen: Im Ständerat gab es auch kritische Stimmen aus der Mitte und aus der FDP. Und auch Bundesrat Albert Rösti kritisierte die Lockerung. Keystone/ANTHONY ANEX

Das mache es für die lokale Bevölkerung schwierig, zahlbare Wohnungen zu finden. Auch in Tourismusregionen herrsche deshalb Wohnungsnot. Neu erstellte, zusätzliche Ferienwohnungen missachteten nicht nur den Volksentscheid zur Zweitwohnungsinitiative, sondern heizten den Mietmarkt in Tourismusregionen weiter an, monieren Kritiker.

Selbst einzelne FDP-Stimmen forderten daher: zusätzliche Wohnungen ja, aber die müssen den Einheimischen vorbehalten sein. Josef Dittli, ebenfalls aus Uri: «Solche Wohnungen sollen auf dem Markt sein für Erstwohnungsbesitzer oder Erstwohnungsmieter. Dann kommt die einheimische Bevölkerung zum Zug.»

Ähnlich tönt es bei Bundesrat Rösti. Von zusätzlichen Zweitwohnungen profitiere die lokale Bevölkerung nicht: «Wenn man eine zweite Wohnung machen will, soll man das dürfen. Diese Wohnung soll dann aber den Einheimischen als Erstwohnung dienen.» Geschieht das nicht, sei die Verfassung tatsächlich nicht eingehalten, sagt auch Rösti.

Anreiz für Investitionen

Eine Mehrheit des Ständerats liess sich davon nicht umstimmen. Nun müssten halt betroffene Gemeinden zusätzliche Vorschriften mit Einschränkungen zu den neuen Zweitwohnungen machen, so die Argumentation.

Mit diesem Entscheid werden die Vorschriften zum Bau von neuen Zweitwohnungen zwar gelockert, das schafft Anreize für Investitionen. Entspannung auf dem Immobilienmarkt in Tourismusregionen wird das alleine aber kaum bringen.

Info 3, 05.03.2024, 12:00 Uhr;kobt

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