Bei Fussball-Krawallen am Wochenende in Frankreich starben nicht nur zwei Personen, es entstand auch ein erheblicher Sachschaden. Viele europäische Länder – darunter auch die Schweiz – würden Sportclubs gerne stärker finanziell in die Verantwortung nehmen. Laut dem Rechtsanwalt Patrik Mauchle ist dies aus juristischer Sicht jedoch heikel.
SRF News: Wer kommt für Schäden wie jene in Frankreich auf?
Patrik Mauchle: Eigentlich die Person, die eine Fensterscheibe eingeworfen oder ein Auto angezündet hat. In der Realität bleibt aber meist der Eigentümer – der Ladeninhaber oder der Autobesitzer – auf den Kosten sitzen, weil der Schadensverursacher nicht ausfindig gemacht werden kann. Im besten Fall hat der Eigentümer eine Versicherung, die den Schaden ganz oder teilweise deckt. Die Kosten für die Polizeieinsätze trägt grundsätzlich der Staat.
Warum kann man diese Schäden – zerbrochene Scheiben, verbrannte Autos – nicht einfach den Clubs auferlegen?
Aus rechtlichen Gründen: Als Mieter oder Eigentümer des Stadions ist der Club verpflichtet, während eines Fussballspiels die Sicherheit zu gewährleisten. Er darf mit Sicherheitspersonal für Ordnung sorgen.
Wenn ich eine Geburtstagsparty veranstalte und einer meiner Gäste auf dem Heimweg betrunken ein Auto demoliert, kann ich auch nicht zur Kasse gebeten werden.
Ausserhalb des Stadiongeländes hat aber die Polizei das Gewaltmonopol. Wenn dort ein Schaden entsteht, ist es fast unmöglich, dem Club nachzuweisen, dass er für den Schaden verantwortlich ist. Aus juristischer Sicht kann ich das nachvollziehen: Wenn ich eine Geburtstagsparty veranstalte und einer meiner Gäste auf dem Heimweg betrunken ein Auto demoliert, kann ich auch nicht zur Kasse gebeten werden – ich hatte ja überhaupt keine Möglichkeit, den Schaden zu verhindern. Ich kenne auch kein Urteil, in dem ein Schweizer Gericht einen Club zu Schadenersatz verpflichtet hätte.
Der Bundesrat wollte eine gesetzliche Grundlage für die Haftung von Sportclubs einführen, aber das Parlament lehnte dies ab. Warum fehlt der politische Wille?
Es fehlte nicht unbedingt am politischen Willen, es sprachen andere Gründe gegen das Gesetz. Es ging nämlich nicht nur um die Haftung von Sportclubs. Fans wären auch gezwungen gewesen, bestimmte Fanzüge zu benutzen. Da stellen sich natürlich ganz viele Fragen: Müssen Familien mit Kindern auch auf diese Fanzüge? Wer entscheidet, ob jemand als Fan gilt? Das waren die Fragen, die gegen das Gesetz sprachen. Insofern kann ich die Ablehnung des Parlaments nachvollziehen.
Haben Sie grundsätzlich Verständnis für die Idee, Clubs stärker finanziell in die Pflicht zu nehmen?
Die Forderung verstehe ich grundsätzlich. Ich verstehe auch den Steuerzahler, der sich darüber aufregt, dass die Allgemeinheit für Polizeikosten aufkommen muss. Man muss aber bedenken, dass die Handlungsmöglichkeiten der Clubs beschränkt sind. Und: Die Clubs könnten das gar nicht alles bezahlen – gerade die Polizeikosten. In St. Gallen etwa trägt der FC St. Gallen 60 Prozent der Polizeikosten, die über 200 Polizeistunden pro Spiel hinausgehen. Wenn der Club die kompletten Kosten der Polizeieinsätze übernehmen müsste, wäre wohl kaum ein Club überlebensfähig.
Der Staat und die Versicherungen sind also die Gelackmeierten. Gibt es keine anderen Lösungen?
Man muss bei der Erziehung im Elternhaus ansetzen (lacht). Es ist tatsächlich eine grosse Herausforderung, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die in der Praxis umsetzbar und fair ist. Wenn es bei Fussballclubs beginnt, müsste man auch andere Veranstalter angehen, und das ist in der Praxis enorm schwierig umsetzbar. Ich habe für diese Kosten-Problematik, offen gesagt, keine Königslösung.
Das Gespräch führte Sibilla Bondolfi.