Es hätte die grosse Party zum ultimativen Triumph werden sollen. Gleich mit 5:0 demontierte Paris Saint-Germain im Champions-League-Finale Inter Mailand und krönte sich zum ersten Mal in seiner Geschichte zum Champion Europas. Doch die Feierlichkeiten wurden von Krawallen in Paris und anderen Städten überschattet. Die bittere Bilanz: Zwei Tote, knapp 200 Verletzte und über 500 Festnahmen.
Keine Seltenheit in Frankreich
Dass es in Frankreich zu grossen Strassenkrawallen und Zusammenstössen mit der Polizei kommt, ist keine Seltenheit. Die Unruhen, die im Sommer 2023 nach der Tötung eines Jugendlichen durch die Polizei das ganze Land erfassten, sorgten international für Schlagzeilen.
Die Französinnen und Franzosen seien entsprechend etwas «hartgesottener», was die Reaktion auf solche Ausschreitungen angehe, sagt ARD-Frankreich-Korrespondentin Carolin Dylla. Das Ausmass der Krawalle nach dem Champions-League-Sieg schockiere aber auch hier viele Menschen. Sie habe mit vielen Fans gesprochen, die die Ausschreitungen vehement verurteilt hätten: «Für sie ist es wichtig zu sagen, dass der Grossteil der Fans sich nicht an der Gewalt beteiligt hat».
Wer sind die Krawallmacher?
Dylla glaubt denn auch nicht, dass in erster Linie Fussballfans verantwortlich für die schwere Gewalt sind. So habe der Historiker Thibault Tellier, der sich mit der Geschichte der Banlieue auseinandergesetzt hat, darauf hingewiesen, dass es sich bei solchen Ereignissen wie am letzten Wochenende um eine Art Automatismus von Gewalt handle. Dieser gehörie nicht unbedingt zu einem konkreten Ereignis. Einem gewissen Teil der Bevölkerung gehe es gemäss Tellier darum, den französischen Staat und seine Repräsentanten herauszufordern.
Anderer Meinung ist Jürgen Ritte, der bis 2023 Literaturwissenschaft an der Pariser Sorbonne-Universität gelehrt hat. «Dass es in Paris regelmässig zu solchen Ausschreitungen kommt, dass regelmässig Schlägereien stattfinden, ist eben auch ein Clubproblem», sagt Ritte.
Berüchtigte Fangruppen
Im Jahr 2010 reagierte die damalige Clubleitung von PSG auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen zweier Fan-Gruppierungen: Dauerkartenbesitzer wurden bei jedem Spiel neu platziert.
Die Stimmung im Pariser «Parc de Princes» wurde entsprechend schlechter. Den neuen Besitzern aus Katar, die den Club 2011 kauften, habe das nicht gefallen, so Ritte. «Man hat die Fankultur, die vorher unterbunden war, langsam wieder aufgebaut». Dies sei nicht mit Absicht geschehen, aber man habe die Ultras gewähren lassen, sagt Ritte.
Verschiedene zündelnde Gruppen
Wer genau bei den Krawallen dabei gewesen sei, wisse man noch nicht. Ritte warnt aber davor, jede Auseinandersetzung mit der Polizei in Frankreich sofort auf ein Gesellschaftsproblem, das Frankreich mit seinen Banlieue hätte, herunterzubrechen: «Das ist höchst ungerecht gegenüber diesen Menschen».
«Es gibt verschiedenste zündelnde Gruppen». Die Gemengelage in Frankreich sei sehr undurchsichtig. Dort, wo der Staat sein Gewaltmonopol nicht durchsetze, entstünden solche Kulturen, so der Frankreich-Experte.
Was macht die Politik?
Wer genau hinter der Gewalt steckt, kann derzeit nicht abschliessend gesagt werden und muss untersucht werden. Doch die Politik scheint nicht wirklich gewillt zu sein, herauszufinden, wer die Gewalttäter sind. «Für viele Politiker geht es jetzt darum, sich zu profilieren», glaubt ARD-Korrespondentin Carolin Dylla. Es gehe weniger darum, Ursachenforschung zu betreiben.