Zum Inhalt springen

Auto-Parallel-Import Günstige Neuwagen – so werden Kaufinteressenten angelockt

Carmine Zarra kennt den Schweizer Automarkt bestens und beobachtet auf «Autoscout» laufend das Angebot. Dabei fallen ihm regelmässig sehr günstige Neuwagen auf, oft sind es Angebote des grossen Händlers «Auto Schiess» im zürcherischen Volketswil. Der Garagist Zarra erzählt: «Zwei Kunden, welche das Auto bei «Auto Schiess» gekauft haben, erhielten die Fahrzeuge am Schluss nicht zum inserierten Preis.» Für die Betroffenen sei das ein grosser Ärger gewesen.

Umstrittene Preispolitik

Auch andere Autointeressenten ärgern sich über die Preispolitik von «Auto Schiess». Das zeigen aktuelle Google-Bewertungen über den Autohändler. Leute aus der ganzen Schweiz schreiben, dass ihnen die Verkäufer bei «Auto Schiess» nebst dem Auto teure Garantiepakete verkaufen wollten. Sind die Tiefpreise im Inserat bloss Lockvogel-Angebote? Das will «Kassensturz» herausfinden und vereinbart zwei Verkaufs- und Besichtigungstermine. Erstes Objekt: ein fabrikneuer Fiat 500 Abarth.

Das Angebot im Netz kostet 17'590 Franken.
Legende: Die Lockvögel wollen einen Fiat 500 für 17’590 Franken erwerben. SRF

Angeblich fehlende Werksgarantie

Was die «Kassensturz-Reporter» zu sehen und zu hören bekommen, halten sie mit versteckter Kamera fest. Bereits auf der Probefahrt wird klar: Zusätzlich zum Preis von 17’590 Franken möchte der Berater eine Garantie verkaufen – für 3500 Franken.

Die Begründung des Verkäufers: Das fabrikneue Fahrzeug habe keine Werksgarantie. Dies bestätigt er zweimal. Damit widerspricht der Verkäufer dem FAQ-Leitfaden von «Auto Schiess». Dort steht: «Jedes Fahrzeug hat eine Werksgarantie von mindestens zwei Jahren.»

Der Verkäufer setzt die Interessenten zusätzlich unter Druck: Das Auto sei ab Platz und werde ohne Garantie im Schadenfall von «Auto Schiess» nicht mehr angerührt.

Verkäufer gepixelt
Legende: Der Verkäufer versucht den Lockvögeln neben der zusätzlichen Garantie noch weitere Optionen aufzuschatzen. SRF

Preis steigt und steigt

Zurück von der Probefahrt macht der Mitarbeiter dem «Kassensturz»-Team weitere Optionen schmackhaft. Es geht um die Wartung, sogenannte Service-Dienstleistungen: «Du zahlst nochmals 1000 Franken, dann hast Du fünf Jahre Vollservice», so der Verkäufer. Mit einer zusätzlichen Ablieferungspauschale für 620 Franken verteuert sich das Auto inklusive aller Optionen um über 5200 Franken.

Parallelimportierte Autos: Kein Verlass auf Werksgarantie

Box aufklappen Box zuklappen

Parallel-Importeure inserieren Neuwagen zu attraktiven Preisen. Doch: Am Schluss kostet das Wunschauto möglicherweise deutlich mehr, weil zusätzlich teure Garantiepakete nötig sind.

«Kassensturz» hat mit Patrik Ducrey, Direktor des Sekretariates der Wettbewerbskommission (Weko), über die mögliche Problematik in einem Interview gesprochen:

«Kassensturz»: Hat man beim Kauf eines Autos immer eine Werksgarantie?

Patrik Ducrey: Grundsätzlich hat man eine Werksgarantie. Man muss aber unterscheiden, ob man das Auto entweder selbst direkt im Ausland bei einem lizenzierten Händler oder im Inland bei einem solchen kauft – oder ob man das Auto bei einem Parallelimporteur kauft.

Wenn man das Auto selbst importiert, kann die Garantie bei jeder Markengarage oder Markenwerkstatt in der Schweiz abgerufen werden. Das Auto wird dort wieder instand gestellt und es entstehen keine Zusatzkosten.

Erwirbt man das Auto bei einem Parallelimporteur, kann es allenfalls zu Problemen kommen. Es kann sein, dass sich die Garantie innerhalb der Marke nicht abrufen lässt und der Geschädigte dann selbst für den Schaden aufkommen muss.

Wie weiss ich als Kunde, bei welcher Marke man als Kunde Probleme kriegen könnte?

Im Normalfall weiss man dies nicht und es ist schwierig herauszufinden. Die Praxis kann ständig ändern. Da kann sich plötzlich ein Schweizer Importeur umentscheiden.

Das ganze Interview lesen Sie hier nach.

Preisdurcheinander sorgt für Verwirrung

Nach dem mehrstündigen Verkaufstermin raucht den «Kassensturz»-Reportern der Kopf: «Am Schluss wurde es sehr kompliziert. Und wenn man sich nicht auskennt, zahlt man gehörig drauf. Man möchte ja seine Ruhe», erklärt die Reporterin.

Ihrem Kollegen bleibt das riesige Preisdurcheinander in Erinnerung: «Es war immer die Rede von Aktionen und Rabatten, wenn man das Auto gerade heute noch kaufe.» Da erstaunt es nicht, wenn Leute am Schluss fürs «Auto-Schnäppchen» mehrere tausend Franken mehr bezahlen, als inseriert.

Zweites Verkaufsgespräch vorbildlich

«Kassensturz» schickte zwei weitere Lockvögel auf die Piste. Das Objekt der Begierde: ein neuer Audi A4 Kombi für vergleichsweise günstige 34'900 Franken. Erfreulich: Nach der Probefahrt weist der Verkäufer auf die bestehende Werksgarantie hin.

Fazit der beiden Stichproben: In einem Fall bestätigten sich die Kommentare von Kunden, wonach Kaufinteressentinnen der Abschluss von Zusatzpaketen und Garantien aufgeschwatzt werden. Im zweiten Fall nicht.

Stellungnahme «Auto Schiess»

Box aufklappen Box zuklappen
  • «Auto Schiess» wollte die Fragen von «Kassensturz» nur schriftlich beantworten. Zu den negativen Google-Bewertungen schreibt das Autohaus, man lege sehr grossen Wert auf eine transparente und ehrliche Beratung. Es sei in der Vergangenheit vorgekommen, «dass sich gewisse Berater nicht an die Richtlinien gehalten haben, sodass wir bedauerlicherweise nach Aufdeckung des Fehlverhaltens der Berater, Verwarnungen aussprechen und /oder das Arbeitsverhältnis leider auflösen mussten.»
  • Zur Falschauskunft des Verkäufers «der neue Fiat hat keine Werkgarantie» schreibt «Auto Schiess»: «Diese Aussage entspricht nicht der Wahrheit und den Schulungen sowie Richtlinien der ‹Auto Schiess›.»
  • Generell betont «Auto Schiess»: «Über zusätzliche Käufe neben dem eigentlich Fahrzeugkauf entscheidet in jedem Fall einzig und allein der Kunde.»
  • Gemäss «Auto Schiess» würden die Kunden vor dem Beratungsgespräch mit einer FAQ-Broschüre informiert. Darin sei klar ersichtlich, «dass jeder das Fahrzeug zum angeschriebenen Preis erwerben kann.»

Service:

Meistgelesene Artikel