Die Transjurane sei eine politische Autobahn, sagte der frühere Verkehrsminister Moritz Leuenberger einst. Das Autobahnnetz wurde bereits in den 1960er-Jahren entworfen. Die A16 durch den Jura kam erst in den 1980er-Jahren hinzu: Sie ist ein Kind des Jura-Konflikts – ein Geburtsgeschenk an den neuen Kanton.
An der Einweihungsfeier für die neue Autobahn sagte die aktuelle Verkehrsministerin Doris Leuthard: «Natürlich hat sie ihren Ursprung in der Unabhängigkeit des Kantons Jura, aber auch in der Überzeugung, die wir bis heute teilen, dass eigentlich jeder Kantonshauptort ans Nationalstrassennetz angebunden sein sollte.»
Verkehrsaufkommen nicht Hauptkriterium
Über den früher bereits eröffneten Abschnitt bei Saint-Ursanne fahren zehnmal weniger Autos als etwa über die A1 bei Zürich – die Nachfrage ist also vergleichsweise gering. Dennoch ist für Leuthard die sechseinhalb Milliarden Franken teure Transjurane gerechtfertigt: «Wenn wir nur noch dort investieren würden, wo es Tausende, Hunderttausende Personen hat, wäre das nicht die Schweiz. Dann würden viele periphere Gebiete abgehängt von der Entwicklung.»
Autobahnen zu bauen, das ist Regionalpolitik mit Teer, Tunneln und Tempo 120. Das gelte nicht nur für die Transjurane, sagt Rico Maggi, Verkehrsökonom an der Universität der italienischen Schweiz. Auch das übrige Autobahnnetz folge einer föderalistischen und staatspolitischen Logik. Es gebe deutlich mehr Ein- und Ausfahrten als im Ausland. Und drei fast parallele Autobahnen führten Richtung Romandie. «Unser Nationalstrassennetz ist sehr politisch. Es gibt viele Verbindungen zwischen dem Welschland und der Deutschschweiz. Und es gibt Verbindungen, die etwas weniger ausgelastet sind. Das ist einfach Föderalismus.»
Burkart: Kanton Aargau «ersäuft» im Verkehr
Das sei in der Vergangenheit richtig gewesen, sagt der Aargauer FDP-Nationalrat und Vizepräsident des Verkehrsverbands TCS, Thierry Burkart. Heute stimme die Balance nicht mehr. «Wir sehen verschiedene grosse Verkehrsprojekte, die kaum befahren sind, während wir im Mittelland im Verkehr ersaufen. Das kann in Zukunft nicht mehr so sein.» Seiner Ansicht nach nimmt auch der laufende Ausbau des bestehenden Autobahnnetzes zu stark Rücksicht auf regionalpolitische Interessen.
Als Beispiel erwähnt Burkart die A1 im Ostaargau: «Die soll erst per 2040 auf sechs Spuren ausgebaut werden. Das können wir so nicht hinnehmen. Hier werden wir Prioritäten setzen müssen, auch zu Lasten der Randregionen.»
Auf keinen Fall, entgegnet CVP-Nationalrat Martin Candinas. Die Schweizer Verkehrspolitik sei mehrheitsfähig, weil sie auch Regionalpolitik sei, findet der Bündner Verkehrspolitiker: «Am Ende brauchen wir eine Ausgewogenheit zwischen dem reinen Verkehrsaufkommen und den Regionen. Genau das war bisher unser Erfolgsrezept.» Es koste etwas mehr, dafür schliesse man niemanden aus.
Verkehrsökonom warnt vor weiterer Zersiedelung
Verkehrsökonom Maggi ist wenig begeistert von diesem «Erfolgsrezept». Bei der Bahn und bei der Strasse würden die negativen Folgen jetzt sichtbar. «Die Leute werden sich weiter von den Zentren entfernen. Man wird mehr Verkehr generieren.» In den Agglomerationen von Genf, Bern und Zürich sehe man es bereits, «dass die Schweiz zersiedelter wird, dass man häufiger und weiter reist».
Die Anreize seien falsch, so Maggi. Bei den Nationalstrassen komme das Geld aus einem Fonds, der fix aus Benzinsteuer, Automobilsteuer und Vignettenverkauf gespeist werde. Das Geld fliesse also automatisch. Und das hält Maggi für gefährlich: «Man diskutiert nur noch, wo und was, nicht ob etwas ausgebaut werden soll. Denn man hat ja das Geld. Wenn das Geld hingegen im allgemeinen Budget ist, müssen sie ja ständig verteidigen, dass sie das zusätzliche Geld wollen.»
Allerdings haben die Stimmberechtigten dem Agglomerationsverkehrsfonds NAF erst vor zwei Monaten überaus deutlich zugestimmt. Sie scheinen also ganz zufrieden zu sein mit dem helvetischen «Meccano» bei der Strassenfinanzierung.