Adoptionen von Kindern aus dem Ausland sollen weiterhin möglich sein, findet der Nationalrat und stellt sich damit gegen die Pläne des Bundesrats für ein Verbot. SP-Nationalrätin und Präsidentin der Organisation Adoptiv- und Pflegekinder Schweiz, Barbara Gysi, ist für ein Verbot von Ausland-Adoptionen. Sie sagt, die heutige Kontrolle genüge nicht mehr.
SRF News: Ein sicheres zu Hause in der Schweiz, statt Hunger oder ein Heim im Ausland. Was kann daran falsch sein?
Barbara Gysi: Grundsätzlich ist es wichtig, dass ein Kind in einer guten Umgebung aufwachsen kann. Man sollte nicht nur diese beiden Alternativen sehen, sondern auch genauer hinschauen: Unter welchen Umständen kommen diese Ausland-Adoptionen zu Stande? Sind die Rechte der Kinder mit der Adoption am besten gewährt oder könnte man sie in ihrem Heimatland besser unterstützen?
Dann bräuchte es also kein Verbot, sondern ein genaueres Hinschauen?
Es braucht auf jeden Fall ein genaueres Hinschauen. Die bestehenden Abkommen wurden zwar verschärft, aber diese Kontrolle genügt heute nicht mehr. Es gibt leider immer noch Unregelmässigkeiten. Fälle, bei denen nicht alle Dokumente vorhanden sind oder man Zweifel haben muss, ob Unterschriften unter Druck zustande kamen.
Auch heutzutage kann man sich nie sicher sein, ob es auch zu Missbrauch kommt.
Kritiker vom Verbot sagen, die heutige Situation sei nicht zu vergleichen mit den 70er oder 90er Jahren, als es Tausende von skandalösen Fällen gab.
Die Situation ist heute sicher besser, aber das Haager Abkommen kann auch unterlaufen werden. Erst kürzlich kam es in diesem Zusammenhang zu einer Verurteilung im Kanton Luzern. Auch von Fachpersonen höre ich, dass Zweifel da seien, ob alle Dokumente und Unterschriften geregelt zustande kamen oder ob die Mütter nicht unter Druck standen. Auch heutzutage kann man sich nie sicher sein, ob es auch zu Missbrauch kommt.
Das heisst, um ein paar wenige Problemfälle zu verhindern, wollen Sie Dutzenden Kindern eine bessere Zukunft verwehren?
Wir müssen schauen, dass wir die Kinder auch im Ausland unterstützen können. Es gibt Diskussionen, einen grossen Apparat in der Schweiz aufzubauen. Wir können nur kontrollieren, was in unserem Land geschieht. In den Herkunftsländern haben wir dazu keine Möglichkeit.
Bei uns in der Schweiz können wir die Fälle besser überprüfen.
Wir müssen uns auch überlegen, ob wir die Kinder nicht im Herkunftsland mit dem Geld, das wir in der Schweiz investieren würden, besser unterstützen könnten. Es ist wichtig, dass wir uns dafür engagieren, dass Kinder, die in unterprivilegierten Situationen leben, gut aufwachsen können.
Wenn man gar kein Risiko möchte, wäre es da nicht konsequenter, auch die Adoptionen in der Schweiz zu verbieten?
Bei uns in der Schweiz können wir die Fälle besser überprüfen. Es gibt viele Gespräche mit den Müttern oder Paaren, die ihr Kind zur Adoption freigeben wollen. Es gibt viel mehr Beratungen und so können wir es gut abschätzen. Im Ausland können wir dies zu wenig kontrollieren. Deshalb kann man Ausland- und Inlandadoptionen nicht miteinander vergleichen. In der Schweiz kommt es auch zu sehr wenigen Inland-Adoptionen.
Relevant ist, dass das Kind in einem Umfeld aufwachsen kann, das Geborgenheit bietet.
Unabhängig von wo ein Kind kommt: Was ist das wichtigste, damit es gut kommt?
Relevant ist, dass das Kind in einem Umfeld aufwachsen kann, das Geborgenheit bietet und dass es stabile Beziehungen hat, zu wem auch immer. Wichtig ist auch, dass die Kinderrechte im Zentrum stehen. Und diese müssen wir auch ins Zentrum stellen, wenn wir die Frage zur Adoption weiterdiskutieren.
Das Gespräch führte Nathalie Christen.