Eigentlich kommt eine blinde «Espresso»-Hörerin aus Bern sehr gut mit Touchscreens im Alltag zurecht: Dank der Sprachunterstützung kann sie ohne Problem ihr Smartphone bedienen, für den Touchscreen der Waschmaschine gibt es eine Schablone – und der Kaffeevollautomat lässt sich via App steuern.
Und doch wurde die blinde Frau kürzlich durch einen Touchscreen in eine unangenehme Situation gebracht: Im Kosmetikstudio hatte der Bezahlterminal keine physische Tastatur. «Ich war grad ein wenig überfordert mit der Situation – und habe dann der Kosmetikerin meinen PIN-Code gegeben.» Ein ungutes Gefühl sei das gewesen, auch wenn sie der Kosmetikerin nicht misstraue: «Es geht doch letztendlich darum, dass man mit seinen PIN-Codes und Passwörtern seriös und diskret umgehen soll.»
Ohne haptisches oder akustisches Feedback können Menschen mit Sehbehinderung diese Geräte nicht bedienen
Auch der Betrag ist für Betroffene nicht lesbar
Touchscreens seien allgemein ein Problem für Menschen mit Seheinschränkung, heisst es auf Anfrage beim Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV). Die Zugänglichkeit elektronischer Geräte werde damit zunehmend erschwert.
Bei den Kartenterminals sei die Problematik relativ neu – denn noch sind die meisten dieser Terminals mit einer Tastatur ausgestattet. Das Problem stelle sich aber bei neueren Geräten, sagt Daniela Moser vom SBV, und es gebe dort bis anhin auch noch keine für alle zugängliche Lösung. «Ohne haptisches oder akustisches Feedback können Menschen mit Sehbehinderung diese Geräte nicht bedienen.» Bei den Bezahlterminals komme – ob mit oder ohne Touchscreen – erschwerend dazu, dass der zu zahlende Betrag für Betroffene nicht lesbar und somit nicht kontrollierbar sei.
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Hoffen auf die Branche
Allein in der Schweiz sind vom Problem mit den Touchscreens fast 380'000 Menschen mit Sehbehinderung betroffen. Um für diese die Kartenterminals ohne Tastatur barrierefrei nutzbar zu machen, setzt der SBV auf die Hersteller und Händler solcher Geräte. «Aber natürlich ist unser Anliegen da nur eines unter ganz vielen», sagt Daniela Moser und dämpft damit Hoffnungen auf eine schnelle Lösung.
Man stehe aber in engem Kontakt mit dem europäischen Zahlungsverkehrs-Dienstleister Worldline. Im Vordergrund steht für den SBV eine Lösung via Smartphone, die möglichst an allen bestehenden und künftigen Zahlterminals funktionieren soll.
Ziel ist ein elektronisches Portemonnaie – Kunden sollen also ihre Bankkarte auf das Smartphone bringen können.
Banken ins Boot holen
Mario Manhart, der bei Worldline Schweiz den Bereich der Bezahlterminals verantwortet, sagt dazu: «Ziel ist ein elektronisches Portemonnaie – Kunden sollen also ihre Bankkarte auf das Smartphone bringen können.» Derzeit sei man beispielsweise in Kontakt mit Postfinance. Manhart ist zuversichtlich: Die Situation rund um das Coronavirus habe dazu geführt, dass ohnehin Lösungen angestrebt würden, bei denen Kunden die Terminals möglichst nicht anfassen müssten. «Die Akzeptanz solcher Smartphone-Lösungen ist hoch.»
Klar ist, dass Lösungen für Menschen mit Sehbehinderung gefunden werden müssen: Denn künftig dürften auch im Bereich der Zahlterminals immer mehr Touchscreens aufkommen.