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«Wo ist der Ruhewagen?» SBB schliesst mit App für Blinde eine Lücke

Das Gleichstellungsgesetz erfordert, dass Reiseinformationen auch Sehbehinderten zugänglich gemacht werden. Ein Test mit einer neuen App der SBB läuft bis im Dezember.

Sie ist schnell, die Stimme, die aus dem Smartphone von Leandro Zamuner ertönt. Zeit sei Geld, meint er. Deshalb ist bei ihm die Sprechgeschwindigkeit so schnell eingestellt. Mit seinen Fingern wischt er auf dem schwarzen Bildschirm hin und her, um alle wichtigen Infos zu erfahren, sie zu hören.

Test der Blinden-App am Bahnhof
Legende: Leandro Zamuner (links) und Nicolas Brunner: Sie tauschen sich über die Erfahrungen mit der App aus. Noëmi Ackermann/SRF

Zamuner liebt das Zugfahren. Er fährt regelmässig von Chur nach Zürich zur Arbeit. Aber auch sonst ist er so oft wie möglich mit der Bahn unterwegs. Die neue App sei wirklich eine Hilfe im Alltag: «Zum Beispiel, wenn ich den Ruhewagen suche. Dann kann mir die App sagen, in welchem Zugteil ich mich befinde.»

Benutzer wird lokalisiert

Dann könne er sich je nach dem in Richtung zweite oder erste Klasse bewegen, so Leandro Zamuner. Im Moment testen 20 Menschen, die eine Sehbehinderung haben, die App. Nicolas Brunner hat sie bei der SBB entwickelt. Die Entwickler mussten für die neue App nicht alles neu denken.

«Die App baut einerseits auf den Informationen auf, die wir schon haben von SBB Mobile.» Dazu komme, dass die App den Benutzer lokalisiert. «Wir wissen also, wo der Benutzer ist. Aber wir nutzen diese Information natürlich nur, um Kundeninformationen zur Verfügung zu stellen.» Informationen wie zum Beispiel Wagennummer, Ankunftszeit, Verspätungen oder Gleiswechsel.

Test der Blinden-App am Bahnhof
Legende: Bis im Dezember testet Zamuner die App weiter und bringt Verbesserungsvorschläge bei der SBB ein: «Potenzial sehe ich bei Pushnachrichten mit Weckfunktion, wie etwa: In 5 Minuten kommen wir in Bern an, Ausstiegsrichtung rechts.» Noëmi Ackermann/SRF

Dazu werden bis Dezember alle Fernverkehrszüge mit Sendern ausgerüstet. Diese übermitteln via Bluetooth Informationen an die Smartphones. Die SBB muss sehbehinderten Reisenden dieselben Informationen anbieten wie Sehenden. So schreibt es das Behindertengleichstellungsgesetz vor.

Test dauert bis Dezember

Die SBB schliesst mit der App also eine Lücke. Die Entwicklung der App kostet die SBB eine halbe Million Franken, sagt Brunner. «Die Alternative zu einer App wäre, dass wir Knöpfe am Bahnhof haben. Diese lesen einem Informationen vor, und das ist unter dem Strich viel teurer als eine einzelne App.» Die App sei zudem praktischer für Sehbehinderte, meint Zamuner.

Bis Dezember soll die App mit seiner Hilfe verbessert werden. In der Schweiz leben über 350'000 Menschen, die blind sind oder eine Sehbehinderung haben. Ihnen allen soll die App ab Dezember das Reisen erleichtern.

Echo der Zeit vom 04.08.2020, 18:00 Uhr

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