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Basejumping im Berner Oberland Lauterbrunnen wehrt sich gegen Touristen-Tandemsprünge

Im Berner Oberland sorgen Tandemsprünge von Felsvorsprüngen für rote Köpfe. Auch der Basejump-Verband distanziert sich.

Sprung, Schrei, Begeisterung. Das ist die Kurzzusammenfassung einer neuen Art des Extremsports, der im Moment in den USA trendet: Tandem-Basejumping. Dabei springt der Basejumper zusammen mit einem Passagier zum Beispiel von Gebäuden, Antennen, Brücken oder Felsen. Der Adrenalinkick ist bereits ab 400 US-Dollar buchbar.

Vieles, was in den USA trendet, kommt früher oder später auch in die Schweiz – so passiert in Lauterbrunnen. Bereits 2022 gab es laut dem Instagram-Account des Schweizer Basejumping-Verbands SBA die ersten Tandemsprünge in der Berner Gemeinde. Und im Folgejahr wurden es stetig mehr. Nicht nur die Gemeinde Lauterbrunnen schaut besorgt auf diese Entwicklung, auch der Verband selbst äussert sich kritisch dazu, wie der «Tagesanzeiger» berichtete.

Der Passagier weiss nicht, wie er sich vom Felsen abstossen muss.
Autor: Marcel Geser Präsident des Verbands Basejumping Schweiz

Marcel Geser ist SBA-Präsident und ebenfalls gegen solche Tandemsprünge in der Schweiz: zum einen, weil es für den Passagier eines Base-Tandemsprungs keine Versicherung gebe. Zum anderen findet er es zu gefährlich, weil es im Lauterbrunnental keine genug überhängenden Felsen gebe. «Ein Passagier, der das zum ersten Mal macht, weiss nicht, wie er sich vom Felsen abstossen muss», sagt Geser, der selbst Basejumper ist.

Basejumping in der Schweiz – nicht nur in Lauterbrunnen

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Basejumping meint das Fallschirmspringen von festen Objekten, wie zum Beispiel Gebäude, Antennen, Brücken oder Felsen, wobei in der Schweiz nur Sprünge ab Felsvorsprüngen legal sind. Das Lauterbrunnental mit seinen steilen Felswänden ist äusserst gut geeignet für Basejumper. Die Extremsportlerinnen und -sportler würden aber auch im Wallis, in der Ostschweiz, im Tessin oder in der Zentralschweiz springen, sagt SBA-Präsident Geser.

Laut Geser hat man in der Anfangsphase des Schweizer Basejumping nur in Lauterbrunnen und in Meiringen im Berner Oberland springen können, jedoch sei das Material immer besser geworden, weshalb Basejumping an immer mehr Orten möglich sei. Zum Beispiel gibt es heutzutage den sogenannten Wingsuit, ein Anzug mit Arm- und Beinflügel, mit dem man weit vom Felsen wegfliegen kann.

Springe der Passagier Kopf voran oder seitlich weg und der Sprung gelinge nicht, könne das dazu führen, dass der Fallschirm nicht schön nach vorne aufgehe und die Springer daraufhin gegen den Felsen prallen, erklärt Geser. Solche tragischen Fälle habe es in Spanien bereits gegeben.

Lauterbrunnen kann man sich mittlerweile fast nicht ohne Basejumping vorstellen. Seit 2007 hält der SBA engen Kontakt mit Gemeinde, Tourismus und der örtlichen Bevölkerung. Gemeindepräsident Karl Näpflin ist zufrieden mit der Zusammenarbeit und auch mit den Basejumpern selbst, die in seiner Gemeinde springen. «Die Entwicklung von den Basejumpern, wie wir sie in den letzten fünf Jahren hatten, ist akzeptabel», so Näpflin.

Illegale Bauten in der Natur gehen gar nicht.
Autor: Karl Näpflin Gemeindepräsident von Lauterbrunnen

Doch eine illegal errichtete Plattform sorgte in Lauterbrunnen letztes Jahr für neuen Zündstoff. Ein Basejumper brachte im Winter eine Vorrichtung auf einem Felsvorsprung an. Die Plattform war für künftige Tandemsprünge gedacht. Die Gemeinde intervenierte. Es gab eine Krisensitzung mit Polizei, Tourismusorganisationen und Vertretern der Basejumperszene. Schliesslich wurde die Vorrichtung zurückgebaut.

«Illegale Bauten in der Natur gehen gar nicht», sagt Gemeindepräsident Näpflin. Wenn er daran denke, mit wie viel Aufwand die 13 bestehenden Stellen legal gemacht wurden, sei dies nicht duldbar.

Anfrage für Stellungnahme

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In Lauterbrunnen haben in der Vergangenheit drei Basejumper Tandemsprünge angeboten und durchgeführt. Diese Redaktion hat zwei der drei Personen auffinden und kontaktieren können. Eine entsprechende Anfrage, was sie zur Gefährlichkeit eines Tandemsprungs in Lauterbrunnen meinen und wie viel sie dabei verdient haben, blieb trotz mehrfacher Anfrage bis vor der Publikation dieses Artikels unbeantwortet.

Angst vor Negativ-Schlagzeilen

Auch der SBA stand hinter dem Abbau. Geser befürchtet, dass die erarbeitete Akzeptanz in Lauterbrunnen durch negative Schlagzeilen – gerade wenn sich Unbeteiligte verletzen – in Mitleidenschaft gerissen und das Lauterbrunnental fürs Basejumping geschlossen werden könnte.

Tödliche Unfälle beim Tandem-Basejumping wie in Spanien hat es gemäss dem SBA-Präsidenten in der Schweiz noch nicht gegeben – allerdings starben über 100 Personen in der Schweiz beim Basejumping. An dieser Null dürfte der Verband wohl festhalten wollen.

Schweiz aktuell, 29.02.2024, 19:00 Uhr

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