Halbkanton darf man eigentlich schon lange nicht mehr sagen. Mit der Verfassungsrevision 1999 wurden Halbkantone wie Basel-Stadt und Basel-Landschaft den anderen Kantonen gleichgestellt – allerdings nicht ganz.
Die beiden Basel haben nämlich nur je einen Sitz im Ständerat, nicht wie die meisten anderen Kantone. Und auch bei Volksabstimmungen zählt ihre Standesstimme nur halb.
Es ist keiner zu klein, um Lobbyist zu sein.
Doch wirklich nur dort hätten die ehemaligen Halbkantone einen Nachteil, weiss die Politikwissenschaftlerin Rahel Freiburghaus von der Universität Bern. Sie hat zum Lobbying der Kantone geforscht. Nachteile sehe sie sonst keine: Die Interessenvertretung der Kantone funktioniere unabhängig von ihrer Grösse. «Es ist keiner zu klein, um Lobbyist zu sein.»
Nun verlangt Basel-Stadt mit einer Standesinitiative die komplette Gleichstellung. Quasi im Seitenwagen soll davon auch Basel-Landschaft profitieren. Der Ständerat hat am Montag darüber debattiert.
Immer wieder gab es Forderungen, die ehemals halben Kantone aufzuwerten. Neu ist, dass es Basel-Stadt alleine versucht. Basel-Stadt sei ein Geberkanton des Finanzausgleichs, also eher reich, sagt Politikwissenschaftler Sean Müller von der Universität Lausanne. Zudem sei Basel-Landschaft flächenmässig relativ gross. Die beiden Basel seien deshalb ein «anderes Kaliber» als die beiden Appenzell und Ob- und Nidwalden.
Würde Basel-Stadt die Aufwertung erhalten, könnte das Bedürfnisse bei anderen Grossstädten wecken.
Basel-Stadt fühle sich deshalb oft zu wenig gehört, fügt Rahel Freiburghaus an. Das gehe allerdings auch anderen Städten so.
Geweckte Begehrlichkeiten
«Wenn Basel-Stadt diese Aufwertung erhalten würde, könnte dies Bedürfnisse bei anderen grossen Städten wecken», sagt Freiburghaus. In den links tickenden Städten Zürich und Bern etwa wurde diese Forderung bereits erhoben – meist, wenn sie in Abstimmungen der bürgerlich tickenden kantonalen Mehrheit unterlagen.
Das Ständemehr, das nach dem Sonderbundskrieg den Minderheitenschutz zum Ziel hatte, könnte heute auch andere Minderheiten schützen. Hierbei falle die lateinische Sprachminderheit ins Auge, sagt Rahel Freiburghaus. «Immer wenn Volks- und Ständemehr auseinander gehen, waren lateinische Kantone benachteiligt.» Man könne sich deshalb fragen, ob man mit der Aufwertung der ehemaligen Halbkantone am richtigen Ort ansetze – und gleichzeitig andere Minderheiten schlecht geschützt lässt.
Politikwissenschaftler Sean Müller blickt dafür ins Bundeshaus: «Wir sehen, dass es nach wie vor viel zu wenig Frauen hat und auch die jüngere Generation ist viel zu wenig vertreten – gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil.»
Halbkantone, Sprachminderheiten, Frauen, Junge: Aufwerten könnte man vieles. Nur – und da versandet die Diskussion jeweils – müssten dafür all jene zustimmen, die bereits jetzt viel Einfluss haben. Auch Basel-Stadt bräuchte für mehr Einfluss auf das Ständemehr – das Ständemehr. Und diese «Vollkantone», wie Freiburghaus sie nennt, wollten ihren relativen Vorteil lieber behalten.
Die Hürde für institutionelle Veränderungen liege in der Schweiz also so hoch, dass man kaum daran schrauben kann. Auch deshalb halte sich die Lust, das Thema anzupacken, in der Politik in engen Grenzen, sagt Freiburghaus. Das zeigt sich auch am heutigen Entscheid im Ständerat: Nachdem die Kommission die Forderung einstimmig zur Ablehnung empfohlen hatte, folgte ihr der Ständerat und erteilte der Standesinitiative eine Abfuhr.